Land der Betonierer: Flächenverbrauch in Oberösterreich

by Johannes Rendl

Oberösterreich beschließt 2020 eine neue Raumordnungsnovelle, die Entwürfe weisen aber wesentliche Defizite auf. Von Johannes Rendl. Zur PDF-Version.

Österreich gehört mit seiner Fläche von 83.878 km² zu den mittelgroßen Ländern in Europa. Was aber den täglichen Flächenverbrauch betrifft, spielt es bei den Großen mit. Nicht umsonst wird Österreich der „Europameister im Zubetonieren“ genannt. Hierzulande wurden in den Jahren 2016 bis 2019 täglich durchschnittlich 12,5 Hektar Fläche neu verbaut, das entspricht einer Fläche von 20 Fußballfeldern. 6,5 Hektar davon wurden im Jahr 2019 für Bau- und Verkehrsflächen beansprucht, 3,9 Hektar für Betriebsflächen. Lediglich 0,6 Hektar wurden 2019 für neue Erholungsgebiete, wie Parkanlagen, genutzt. Die Zielvorgaben der Europäischen Union für den täglichen Verbrauch neuer Flächen liegt bei 2,5 Hektar. Österreich verbaut am Tag aber das fünffache. Fast die Hälfte dieser Flächen werden versiegelt. Das heißt, der Boden wird dabei mit einer wasserundurchlässigen Schicht abgedeckt und verliert so seine Fähigkeit Wasser zu speichern, Schadstoffe zu filtern, zu binden oder abzubauen. Kühleffekte gehen verloren, weil dadurch auch kein Wasser mehr verdunsten kann.

Nur knapp 7% der täglich neu verbauten Flächen wurden 2019 zu Erholungs- und Abbauflächen umfunktioniert. Ein Grund für die immer heißeren Sommer sind Asphalt und Beton, die die Hitze speichern. Hitzetage werden so noch unerträglicher. Auch die Flucht vor hohen Temperaturen in grüne Naherholungsgebiete wird sukzessive schwieriger, Wälder fehlen in verbauten Gebieten als natürliche Klimaanlagen. Mit der demographischen Entwicklung in Österreich hat das alles nicht viel zu tun. Seit 2001 wuchs die Bevölkerung um 10%, während die Versiegelung der Böden im selben Zeitraum um 25% anstieg. In Oberösterreich wurden in den letzten 10 Jahren 14.300 Hektar verbaut, das entspricht rund 4 Hektar pro Tag. 2019 wurden in Oberösterreich rund 2,2 Hektar Fläche am Tag verbaut, das entspricht 3 Fussballfeldern. Dabei gingen Flächen, die für Parks und Freizeitgestaltung zur Verfügung gestellt werden, innerhalb eines Jahres um 100 Hektar zurück. In Oberösterreich dürften laut EU-Vorgabe überhaupt nur 0,35 Hektar pro Tag verbaut werden.

Was regelt die Raumordnung?
Allgemein werden unter Raumordnung alle Aktivitäten und Maßnahmen der öffentlichen Hand verstanden, die einer gewissen politischen und sozialen Zielvorstellung folgen. Die Raumordnung ist eine wichtige Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Die Kompetenzen für Raumordnung und Raumplanung sind zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden aufgeteilt. So hat der Bund zahlreiche Planungsbefugnisse in Bereichen wie im Verkehrs- und Wasserrecht. Den Ländern wiederum kommt in Raumordnungsfragen die zentrale Planungs- und Steuerungsfunktion zu. Sie sind zuständig für die Gesetzgebung und nehmen eigenverantwortlich die überörtliche Raumordnung wahr. Die Gemeinden wiederum sind in ihrem eigenen Wirkungsbereich für die örtliche Raumplanung zuständig und erlassen beispielsweise den örtlichen Flächenwidmungsplan.

Gemäß dem oberösterreichischen Raumordnungsgesetz 1994 bedeutet Raumordnung in Oberösterreich „den Gesamtraum und seine Teilräume vorausschauend planmäßig zu gestalten und die bestmögliche Nutzung und Sicherung des Lebensraumes im Interesse des Gemeinwohles zu gewährleisten; dabei sind die abschätzbaren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft sowie der Schutz der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen zu beachten.“ (§1 Ab. 2 Oö. ROG 1994)

Flächenverbrauch und Ortskernsterben
Gerade in kleineren Gemeinden fällt auf, dass die Ortskerne langsam aussterben und gleichzeitig an den Rändern gebaut wird. So hat sich beispielsweise die Fläche der Shoppingcenter seit den 2000er Jahren mehr als verdoppelt, damit ist Österreich im Spitzenfeld der europäischen Union. Mit der Bautätigkeit außerhalb des Ortskerns steigt auch die Nachfrage nach Straßen, auch hier liegt Österreich mit 15 Straßenmeter pro EinwohnerIn noch vor Deutschland (7,9 Straßenmeter pro EinwohnerIn) und vor der Schweiz (8,1 Straßenmeter pro EinwohnerIn). Umrandet werden die Einkaufscenter dann noch zusätzlich von großzügigen Parkplatzflächen. Insgesamt sind bereits 50.000 Hektar bebauter Fläche in ganz Österreich ungenutzt. Sogar Wien ist mit seiner Fläche von 41.500 Hektar kleiner als die Betonwüsten Österreichs. Gerade in den Gemeinden muss die Ortsentwicklung zu einer Priorität werden, um eine weitere Zersiedelung zu stoppen.
Ein Umdenken in der heimischen Raumordnung ist also absolut notwendig.

Schlechte Noten für die neue Novelle
Bis zum 27. April 2020 lag die Novelle zum Raumordnungsgesetz des Landes Oberösterreich zur Begutachtung auf. Verschiedene ExpertInnen stellen der Novelle in ihrer aktuellen Ausführung aber kein gutes Zeugnis aus. Zu vage und unverbindlich sei der Vorschlag. Sie wird den anstehenden Herausforderungen in Oberösterreich nicht gerecht.

Der Klimaschutz als zentrales Ziel der Raumordnung fehlt genauso wie eine Initiative für eine überörtliche Raumordnung und aktive Koordinierung der Bebauung des Landes. Auch für Ortskernentwicklung gibt es keine zukunftsweisenden Konzepte. Prof. Gernot Stöglehner von der Universität für Bodenkultur bemängelt in seinem Gutachten, dass keine Anpassungen im Bereich des Klimawandels vorgenommen wurden, um beispielsweise urbane Hitzeinseln zu vermeiden. Die Novelle greift außerdem bei der Erhaltung und Gestaltung von nicht versiegelten Flächen im Siedlungsraum zu kurz. Die regionalen Grünzonen zur Naherholung, wie sie für Linz und Eferding festgelegt sind, müssen auf ganz Oberösterreich ausgeweitet werden, fordert die Raumplanungsinitiative „Fairplanning“ in ihrem Gutachten. Aber es geht auch um die Neuordnung der politischen Kompetenzen in der Raumplanung. Eine Trennung von wirtschaftlichen Interessen macht es einfacher sozialen und ökologischen Aspekten Vorrang zu geben.

„Fairplanning“ fordert eine Entlastung der Gemeinden durch interkommunale Gremien, die über Flächenwidmungen entscheiden. Gestaltungsmöglichkeit bräuchten die Gemeinden dagegen z.B. im Erwerb von Freiflächen, um eine flächensparende Ortsentwicklung betreiben zu können. Auch die PKW-Fixierung des Landes müsse konsequent durch den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel verändert werden, sowie striktere Reglements für Parkplatzflächen gelten. Nur so können eine Verkehrswende und damit weniger Abgase und weniger Flächenfraß realistische Ziele werden, ohne dass Menschen, die auf ihren PKW angewiesen sind, benachteiligt werden.

Best Practice in Oberösterreich
Die Stadt Linz hat mit der Nachnutzung der Tabakfabrik gezeigt, wie es gehen kann. Das zwischen 1929 und 1935 gebaute denkmalgeschützte Areal im Herzen der Stadt wurde ursprünglich von öffentlicher Hand errichtet, danach für kurze Zeit privatisiert und ist heute wieder im öffentlichen Besitz. Entlang der Leitlinien Partizipation, Transparenz, Offenheit und Tragfähigkeit soll dort ein neuer Stadtteil entstehen. Seit November letzten Jahres wurde im ganzen Areal der Tabakfabrik damit begonnen 60 Bäume zu pflanzen. Hitzeinseln wie der Peter-Behrens-Platz sollen zu Grünoasen umfunktioniert werden. Vier große Bäume im Innenhof tragen zur Kühlung des Areals bei. Es gilt als erwiesen, dass ein großer Baum die Luft in seiner direkten Umgebung um bis zu fünf Grad Celsius kühlen kann. Der Asphalt im Baumschatten kann sogar um bis zu 20 Grad Celsius kühler sein als jener in der Sonne.

Wie im ländlichen Bereich erfolgreiche Koordination von Gemeinden aussehen kann, zeigt der Bezirk Freistadt. Alle 27 Gemeinden nehmen dort an der Initiative „Interkommunale Betriebsansiedelung“ (INKOBA) teil. Jede Gemeinde bezahlt einen Mitgliedsbeitrag und bekommt 1,8% Anteile an der INKOBA. Unabhängig vom Erfolg beim Verkauf der Bauflächen werden die Einnahmen aus der Kommunalsteuer aliquot an die Gemeinden nach Einwohnerzahlen verteilt. Widmungen und Vermarktung des Standorts werden von den Gemeinden über die Gemeindegrenzen hinweg koordiniert. Somit können die Gemeinden nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden und keine Preisunterbietungen mehr stattfinden. Rund um die neu gebaute S10 wurden begehrte Bebauungsflächen von der INKOBA gekauft und dann nach den Bedürfnissen der Region weitergegeben. Einem ungehemmten Flächenfraß könnte durch solche Modelle vorgebeugt werden.

Zum Weiterlesen:
• Gruber et.al (2018): Raumordnung in Österreich
• Kurier (2019): Österreich ist Europameister im Zubetonieren
• Oö. Landesrechnungshof (2014): Initiativprüfung Raumordnung des Landes OÖ 2014
• ÖROK (2012): Bodenversiegelung in Österreich 2012
• Profil (2019): Betoniergehabe: Österreich könnte bald zugepflastert sein
• Salzburger Nachrichten (2018): Bodenverbrauch in Europa – Österreich führt die Liste an
• Fairplanning (2020): Stellungnahme
• Stöglehner, Gernot (2020): Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf betreffend das Landesgesetz

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