Black Voices – Warum es ein Anti-Rassismus Volksbegehren braucht

by Johannes Rendl

Black Voices ist Österreichs erstes Anti-Rassismus Volksbegehren und fordert die gleichberechtigte Teilhabe für People of Colour und Schwarze Menschen in allen Bereichen der österreichischen Gesellschaft. Von Noomi Anyanwu & Melanie Kandlbauer. Zur PDF-Version.

2020 wurde intensiv über Rassismus diskutiert. Knapp 100.000 Menschen gingen letzten Sommer in Österreich auf die Straße, um gegen rassistische Polizeigewalt zu demonstrieren. Aus dieser Bewegung entstand Black Voices – Österreichs erstes Anti-Rassismus Volksbegehren. Es fordert die gleichberechtigte Teilhabe für People of Colour und Schwarze Menschen in allen Bereichen der österreichischen Gesellschaft. Dafür braucht es einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und umfassende politische und gesetzliche Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheit, Öffentlichkeit und Repräsentation, Flucht und Migration und bei der Polizei.

Eine Unterstützungserklärung für das Volksbegehren kann noch bis Ende des Jahres unterzeichnet werden.

Struktureller Rassismus am Arbeitsmarkt
Im Volksbegehren werden verschiedene Lebensbereiche aufgegriffen, die strukturelle Herausforderungen für People of Colour (PoC) mit sich bringen. Beispielsweise am Arbeitsmarkt: Der strukturelle Rassismus am Arbeitsmarkt wirkt sich langfristig negativ auf die sozioökonomische Lage der Betroffenen aus.

Eine Studie der JKU Linz aus dem Jahr 2016 von Doris Weichselbaumer setzte die Anzahl von erfolgreichen Bewerbungen mit Ethnizität in Verbindung und so gelang es, Rassismus im Bewerbungsprozess zu messen. Die fiktiven Testpersonen waren „Sandra Bauer“, „Meryem Öztürk“ und „Meryem Öztürk“ mit Kopftuch. Diese drei Frauen, die von derselben Frau portraitiert wurden und dieselben Qualifikationen sowie denselben Lebenslauf vorweisen, erlebten immense Unterschiede beim Bewerbungsverfahren: Die Frau mit Kopftuch Meryem Öztürk musste sich unter denselben Bedingungen vier bis fünf Mal öfter bewerben als die weiße Frau Sandra Bauer.

Doch dieses Experiment bestätigt nur einen der vielen diskriminierenden Aspekte am Arbeitsmarkt. Um Rassismus in der Arbeitswelt und in Unternehmen nachhaltig bekämpfen zu können, braucht es Sensibilisierung und Bildungsarbeit auf verschiedenen Ebenen. Ein erster Schritt ist eine Anti-Rassismus-Analyse mit externen Expert*innen, um zu evaluieren, wie offen Unternehmensstrukturen für People of Colour und Schwarze Menschen sind, mit dem Ziel in Bewerbungsverfahren gerechter vorzugehen. Verpflichtende Workshops mit Schwarzen und PoC-Expert*innen für Unternehmen mit Staatsbeteiligung und das Angebot für private Unternehmen ist daher eine sehr zentrale und grundlegende Lösung, die das Anti-Rassismus Volksbegehren auch sehr empfiehlt.

Wahlrecht und Straßennamen: Ein Schritt zu wahrer Repräsentation
Bei der Wien-Wahl im Herbst 2020 waren etwa 30 % der in Wien lebenden Menschen nicht wahlberechtigt. Diese Gruppe ist größer als die Gruppe der Nicht-Wähler*innen mit 24 Prozent. Die meisten von ihnen leben schon seit mehr als fünf Jahren in Wien oder wurden in Österreich geboren, eine halbe Million Menschen werden kategorisch von einem demokratischen Prozess ausgeschlossen, meist People of Colour oder Menschen mit Migrationsbiografie. Denn in Österreich ist das Wahlrecht immer noch an die Staatsbürger*innenschaft geknüpft. Ein Privileg, das mit finanziellen, bürokratischen und zeitlichen Hürden verbunden ist. Viele Menschen können sich die rund um den Erwerb der Staatsbürger*innenschaft anfallenden Kosten nicht leisten und auch wenn sie über die finanziellen Ressourcen verfügen, so dauert dies oft Jahre. Das Black Voices Volksbegehren sieht es als eine große demokratische Chance, wenn das Wahlrecht an den Hauptwohnsitz geknüpft wird und nach einer Wohndauer von fünf Jahren zugestanden wird. Nur so kann Repräsentation auf allen Ebenen gelingen.

Zirka eine halbe Million Menschen könnten einem der wichtigsten demokratischen Prozesse beiwohnen und somit selbst wählen, wer sie repräsentiert und nicht nur das: Sie könnten sogar selbst auf jeder politischen Ebene kandidieren! Der Ausschluss von Menschen, die hier leben, aber nicht wählen dürfen ist nicht nur ungerecht, er schadet auch der Demokratie. Denn Mitsprache und Partizipation sind die Kernelemente demokratischer Systeme. Ein wichtiger Faktor, denn momentan sind Machtpositionen in den meisten Fällen von weißen Männern besetzt, was zu mangelnder Repräsentation führt.

Eine ebenso grundlegende Forderung des Anti-Rassismus Volksbegehren ist das Gefühl von Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Solidarität auch in der Infrastruktur einer Stadt zu vermitteln. Das hat Österreich noch nicht so ganz geschafft. Obwohl Wien bereits zum vierten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt gewählt wurde, so stellt sich die Frage, für wen Wien die lebenswerteste Stadt ist. Auch im Jahr 2021 sind Wörter wie Mohr, Zigeuner*in oder das N-Wort (diese Wörter werden im Weiteren von den Autorinnen nicht mehr ausgeschrieben, sondern zensiert) nach wie vor präsent in Kultur, Speisen oder Straßennamen. Die Große M*gasse oder die Kleine M*gasse sind zwei Beispiele, die aktuell für Diskurse sorgen: In einer Petition wird von der Zivilgesellschaft gefordert, derartige Bezeichnungen ein für alle Mal zu entfernen. Auch Statuen oder Denkmäler von historisch problematischen Personen sind Anstoß für ähnliche Diskussionen. Die M*Apotheke im 1. Wiener Gemeindebezirk macht es vor: Die Besitzerin hat bereits öffentlich versichert, dass sie ihre Apotheke umbenennen wird. Das ist ein wichtiger Schritt, den es auch bei anderen kolonialen Überbleibseln braucht.

Rassismus zeigt sich auch in unserem Bildungssystem
Eine Studie der Universität Mannheim zeigt: Angehende Lehrkräfte benoten identische Diktate schlechter, wenn statt „Max“ „Murat“ auf dem Zettel steht.

Wie auch im Bewerbungsprozess reicht ein vermeintlich ausländisch klingender Vorname aus, um Vorurteile und Stereotype in unseren Köpfen wachzurufen, die zu rassistischer Diskriminierung führen. Schließlich wird gesellschaftlich und medial immer wieder das Bild vermittelt, dass Kinder mit „Migrationshintergrund“ nun einmal schlechter Deutsch sprechen, und das, obwohl viele Kinder in Österreich geboren wurden. Separierte Deutschklassen fördern diese Denkweise. Wenn „Murat“ trotz gleicher Leistung schlechter benotet wird als „Max“, wirkt sich das negativ auf seine Bidungskarriere aus, etwa wenn Murat vor diesem Hintergrund eine Empfehlung für die Hauptschule statt für das Gymnasium erhält. Hier kann es helfen, wenn Lehrkräfte und Pädagog*innen in ihrer Ausbildung verpflichtende Anti-Rassismus-Trainings absolvieren. So kann sichergestellt werden, dass sie Rassismus nicht reproduzieren und rassismuskritische Bildungsarbeit leisten können.

Denn anti-rassistisches Verhalten muss erst erlernt werden. Das gilt nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch für Schüler*innen. Kinder werden laufend mit Vorurteilen konfrontiert und bilden diese bereits in frühen Lebensjahren selbst. Anti-Rassismus-Arbeit muss deshalb bereits im Kindergarten ansetzen und auch in den Lehrplänen verpflichtend verankert werden.

Vor diesem Hintergrund ist es auch notwendig die Materialien, mit denen Kinder lernen, zu evaluieren. Bis heute werden durch Schulbücher Stereotype, Klischees und falsche Bilder über Gruppen vermittelt, die den Nährboden für rassistische Denk- und Handlungsmuster bilden. Schule muss rassismus- und vorurteilssensibel gestaltet werden, damit Bildungseinrichtungen ein Ort sein können, an dem Rassismusprävention beginnt.

Das Volksbegehren fordert deshalb die verpflichtende Einführung von Anti-Rassismus und Sensibilsierungsarbeit im Unterricht unter Mitwirkung außerschulischer Anti-Rassismus-Expert*innen.

Das Black Voices Volksbegehren – Anti-Rassismus und du!

Es gilt alle Lebensbereiche rassismuskritisch und anti-rassistisch zu gestalten! Das Black Voices Volksbegehren hat sich genau das zum Ziel gesetzt und benötigt deshalb Unterstützung, etwa in Form einer Unterschrift und/oder finanziell in Form einer Spende. Denn nur als solidarische Gemeinschaft können wir Rassismus den Kampf ansagen!

Wo: Unter folgenden Links findest du alle Forderungen und weitere Informationen, um immer auf dem Laufenden zu bleiben: Webseite: blackvoices.at / Social Media: @blackvoicesvolksbegehren

Wie: Eine Unterstützungserklärung kannst du noch bis Jahresende unter folgendem Link oder in einem Gemeindeamt unterschreiben: https://www.bmi.gv.at/411/

Spenden: Unterstütze das Volksbegehren auf blackvoices.at oder direkt auf der Crowdfundingplattform unter startnext.com/black-voices-volksbegehren. Die Crowdfundingkampagane läuft noch bis 16. April.

Über die beiden Autorinnen:
Melanie Kandlbauer, BA. BA. ist zuständig für die inhaltliche Leitung des Black Voices Volksbegehrens und engagiert sich für die BAYO-Empowerment Schule für Schwarze Kinder. Sie ist DaF/DaZ-Trainerin, studierte Bildungswissenschaft und Philosophie und absolviert aktuell ihren Master in Ethik mit Schwerpunkt auf Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung.

Noomi Anyanwu ist Studentin, Aktivistin und Sprecherin des Black Voices Volksbegehren. Zusammen mit ihrem Team hat sie im Sommer 2020 das erste Anti-Rassismus Volksbegehren initiiert. Seit sie 15 ist, ist sie bereits politisch aktiv in Form von Workshops oder ihrem Online Aktivismus als @thisisnoomi. Für die Themen Feminismus und Anti-Rassismus setzt sie sich besonders ein.

Zum Weiterlesen:
• Weichselbaumer, Doris (2016): Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves
• Universität Mannheim (2018): Max versus Murat: schlechtere Noten im Diktat für Grundschulkinder mit türkischem Hintergrund
• Moment Magazin (2020): Wien-Wahlen: „Ich bin hier geboren, aber meine Stimme zählt nicht“
• SOS Mitmensch (2020): Nicht einmal die Hälfte der Wiener Bevölkerung gab ihre Stimme ab
Petition: Umbenennung der „Mohrengasse(n)“ in Wien 1020!
• Ehs, Tamara (2018): Wien wählt (nicht). Demokratische Beteiligung 1918-2018
• ZARA – Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit (2020): Rassismus Report 2020

 

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