Frauenpolitik? Ja bitte, aber feministisch!

by Klaus Baumgartner

Die aktuelle österreichische Frauenpolitik gestaltet sich recht turbulent und zeigt dadurch das breite Spektrum an Zugängen zu „Politik für Frauen“ auf: Das Frauen*volksbegehren wies beispielsweise auf zahlreiche offene Baustellen in Sachen Gleichstellungspolitik hin. Von Julia Schuster. Zur PDF-Version.

Die Regierungsparteien sehen sich derzeit zwar nicht veranlasst, die Forderungen des Volksbegehrens aufzugreifen, sie sprechen aber dennoch von der Notwendigkeit einiger Schwerpunkte in der Frauenpolitik – wie etwa dem Schutz vor Gewalt durch eine neue Helpline und härtere Strafen. Frauenschutzorganisationen plädieren hingegen für den Ausbau von Männerarbeit und Frauenhäusern. Dass in Oberösterreich das Frauenreferat finanzielle Förderungen für eine Reihe von Frauenorganisationen (unter anderem für solche, die Gewaltpräventionsarbeit leisten) gestrichen hat, da diese nicht mehr zum Kerngeschä gehören, wurde in feministischen Kreisen stark kritisiert. Gleichzeitig bemühte sich selbiges Frauenreferat mit einer umfassenden „Frauenstrategie“, Frauenpolitik in der Landespolitik fest zu verankern. Die Liste der frauenpolitischen Unstimmigkeiten ließe sich fortsetzen. Offenbar sind sich die verschiedenen politischen Akteur_innen nicht darüber einig, was dieser Begriff beinhaltet. Johanna Dohnal, die die österreichische Frauenpolitik der Zweiten Republik geprägt hat wie keine andere, pflegte zu betonen, dass Frausein noch kein Programm ist. Aber was ist es dann?
Frauenpolitik ist eine Querschnismaterie. Politik für Frauen inkludiert Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Bildungspolitik genauso wie alle anderen Resorts, denn Frauenleben spiegeln sich im gesamten politischen Spektrum wider. Warum es dann eine „Frauenperspektive“ in allen politischen Feldern braucht, liegt daran, dass Männer und Frauen trotz formaler Gleichberechtigung vor dem Gesetz nach wie nicht real gleichgestellt sind. Der Gender Pay Gap oder die Unterrepräsentation von Frauen in den meisten politischen und wirtschalichen Entscheidungsgremien illustrieren das. Es ist die Aufgabe von Frauenpolitik, solche Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Nur: wie genau das gehen soll, ist eine Frage, deren Antwort politisch-ideologisch gefärbt ist. Darum sind sich Regierung und Opposition sowie autonome und institutionalisierte Frauenorganisationen o nicht über den konkreten Handlungsbedarf einig.
Um dieses Dilemma zu veranschaulichen, werden im Folgenden drei frauenpolitische Papiere vorgestellt und exemplarisch Auszüge ausderen jeweiligen Zugängen zu frauenpolitischer Arbeitsmarktpolitik verglichen.

Die drei Papiere
• Das Ende 2017 veröffentlichte türkis-blaue Regierungsprogramm 2017-2022 widmet zweieinhalb seiner 179 Seiten dem Thema „Frauen“, wobei auch das Kapitel „Integration“ einen Schwerpunkt auf Frauenfragen legt und andere Kapitel (z.B. „Bildung“ und „Wissenscha“) einzelne Maßnahmen zur Frauenförderung erwähnen.
• Die im Frühjahr 2018 erschienene Frauenstrategie wurde vom Frauenreferat des Landes Oberösterreich verfasst und vom Büro der ÖVP Landesrätin Christine Haberlander herausgegeben. Inhaltlichen Input holte sich das Projekt von zahlreichen oberösterreichischen Frauenorganisationen und Bürgerinnen.
• Der Zweite Frauenbericht der Stadt Linz wurde auf Initiative der Grünen Frauenstadträtin Eva Schobesberger vom Institut für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes Kepler Universität erstellt und Ende 2018 publiziert.

Frauenpolitik für den Arbeitsmarkt
In der Identifikation von Problemfeldern sind sich die drei Papiere in einigen Bereichen durchaus einig – im Umgang damit, allerdings nicht mehr. Etwa kritisieren alle drei Papiere geschlechtsspezifische Lohnunterschiede und die unzureichende finanzielle Absicherung von Frauen im Alter.
Um Lohnunterschiede zu reduzieren, setzt das Regierungsprogramm auf mehr Einkommenstransparenz durch umfassendere Einkommensberichte. Die oberösterreichische Frauenstrategie hält dies ebenso für notwendig, ergänzt aber noch durch die Forderung nach einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.500 Euro bruo für Vollzeitarbeit. Der Linzer Frauenbericht hingegen schreibt explizit, dass Einkommenstransparenz zwar wichtig ist, sich aber bisher als nicht ausreichend zur Reduzierung von Einkommensunterschieden erwiesen hat. Darum wird in diesem Bericht für Maßnahmen plädiert, die die ungerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit auf struktureller Ebene zu fassen versuchen: beispielsweise miels schriweiser Arbeitszeitverkürzung, die dazu führen soll, dass Frauen aus der Teilzeitfalle geholt werden können und Männer mehr Zeit für Kinderbetreuung haben. Angesichts des neuen Arbeitszeitgesetztes und der Reluktanz mit der die Regierung aktuell über den „Papamonat“ diskutiert, zeigt sich, dass solche Maßnahmen diametral dem Verständnis von türkis-blauer Arbeitsmarktpolitik widersprechen.
Die stärkere Involvierung von Vätern in der Kinderbetreuung ist aber aus Perspektive des Linzer Frauenberichtes auch hinsichtlich der Reduzierung von weiblicher Altersarmut relevant. Denn wenn Kinderbetreuung gerecht zwischen den Eltern aufgeteilt wird, verlieren Frauen weniger Pensionsanrechnungszeiten und haben bessere Chancen über ihr Berufsleben hinweg ein Einkommen zu erreichen, auf dessen Basis sie von der entsprechenden Pensionshöhe im Alter leben können. Davon will das Regierungsprogramm aber nichts wissen. Zur Entlastung von Betreuungsarbeit werden nicht die Väter in die Pflicht genommen, sondern etwa der Ausbau des Tagesmüersystems vorgeschlagen; zur Absicherung im Alter werden beispielsweise die Evaluierung von Unterhaltshöchstgrenzen und der Ausbau von Notwohnungen geplant. Das sind aber Maßnahmen, die nur solchen Frauen helfen, die aufgrund von Trennung oder Gewalterfahrung nicht mehr von ihren Partner_innen versorgt werden. Eine grundsätzliche ökonomische Eigenständigkeit von Frauen wird dadurch nicht gewährleistet. Die Frauenstrategie des Landes Oberösterreich geht wiederum einen anderen Weg und schlägt den Ausbau des bestehenden Pensionsspliings und die volle Anrechnung von vier Jahren Kindererziehung für den Pensionsanspruch vor. Beides sind Maßnahmen, die zwar Altersarmut abfedern können, gleichzeitig aber Müer ermutigen, den Wiedereinstig in Berufsleben nach der Karenz nach hinten zu verschieben. Aus feministischer Perspektive ist das nicht immer wünschenswert, denn damit werden Abhängigkeitsverhältnisse intensiviert. Es ist nicht verwunderlich, dass frauenpolitische Maßnahmen inhaltlich stark auseinanderklaffen, denn für deren Konzeption spielen präferierte Frauen- und Familienbilder eine Rolle (z.B. für Karenzpolitik) und es ist maßgeblich, welche (Wahl)Klientel angesprochen werden soll (z.B. wieviel Unterstützung erhalten Alleinerziehende, wieviel gutverdienende Elternpaare?). Daraus ergibt sich ein breites Spektrum an möglicher Frauenpolitik.

Frauenpolitik oder feministische Politik?
Aufgrund dieser Vielfalt ist es sinnvoll, zwischen feministischer und anti-feministischer (Frauen)Politik zu unterscheiden. Obwohl auch die Diskussion darüber, was feministisch ist, Bibliotheken füllt, kann feministische Politik grob an ihrer Ermöglichung von gleichen Chancen und selbstbestimmten Lebensentscheidungen für alle Geschlechter erkannt werden. Mit dieser Perspektive lässt sich aufzeigen, dass Frauenpolitik nicht immer feministisch ist und feministische Politik sich nicht immer nur auf Frauen bezieht (z.B. Väterkarenz, Eintrag des „drien Geschlechts“ im Personenstandsregister). Ein solches Verständnis ist derzeit mehr als notwendig, denn aktuell braut sich in Österreich eine politische Diskussion über eine gesetzliche Änderung der Fristenregelung für Schwangerschasabbrüche zusammen. Es wäre verheerend, wenn hier die anti-feministischen Stimmen ihre Form der Frauenpolitik durchsetzen.

ZUM WEITERLESEN
• Disslbacher, Franziska und Jana Schultheiss (2018): „Denn nur ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern sichert eine gedeihliche Zukunft“ – zur Frauen- und Gleichstellungspolitik von Schwarz-Blau II. Kurswechsel 3: 66-74.
• Weichselbaumer, Doris et al. (2018): Zweiter Linzer Frauenbericht der Stadt Linz. Eine Initiative der Frauenstadträtin Eva Schobesberger, Frauenbüro der Stadt Linz.
• Zechmeister, Beate et al. (2018): Starke Frauen, starkes Land. „Frauen.Leben – Frauenstrategie für Oberösterreich 2030“. Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Präsidium, Abteilung Frauenreferat

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