Schnell erklärt: Je reicher Haushalte sind, desto weniger sind sie von der Teuerung bei Strom, Heizen & Co betroffen

by Nora Waldhör
Schnell erklärt“ ist die neue Kolumne des Marie Jahoda – Otto Bauer Instituts in der Neuen Zeit. Von Nora Waldhör.

Reiche Haushalte geben durchschnittlich 6,1% ihres Einkommens für Strom, Heizen & Sprit aus. Haushalte mit geringeren Einkommen müssen hingegen 7,7% ihres Verdienstes für Energie gleich wieder ausgeben. Sie sind von der Teuerung deshalb stärker betroffen. Mit diesen Maßnahmen könnte die Regierung gegensteuern.

Die Preise für Energie sind bereits 2021 als Folge der Covid-19 Pandemie stark gestiegen. Über alle Güter und Dienstleistungen hinweg lag der Anstieg der Verbraucherpreise 2021 bei 2,8 %. Seit Jahresbeginn sind die Preise weiter gestiegen. Die Teuerung lag im Februar bei rund 6 %.

Durch den Krieg in der Ukraine stiegen die Preise, vor allem von Gas und Strom, aber auch von Mineralölprodukten, auf weitere Rekordwerte: Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) erwartet für 2022 einen weiteren Anstieg der Energiepreise zwischen 35% und 40 % im Jahresdurchschnitt.

Paradoxerweise steigt aber der Preis für Sprit an den Tankstellen stärker als der Rohölpreis. Berechtigterweise fragen sich nun viele, ob große Energiekonzerne von der derzeitigen Krise profitieren, während sich viele Menschen das Heizen und andere notwendige Dinge des Alltags nicht mehr leisten können.
Mit welchen Maßnahmen gegen Inflation können also Haushalte entlastet werden, ohne dabei klimapolitische Ziele über Bord zu werfen und Erdöl- und Erdgaskonzerne noch reicher zu machen?

 

Einkommensschwächere Haushalte trifft es am härtesten!
Von der Teuerung sind einkommensschwächere Haushalte besonders betroffen. Das war auch vor den jüngsten Preisanstiegen schon der Fall, wie aus einem kürzlich erschienen Bericht des WIFO hervorgeht: Im Durchschnitt beträgt der Anteil für Energie, Wohnen und Treibstoff an allen Konsumausgaben beim unteren Einkommensfünftel 7,7 %, beim oberen Einkommensfünftel hingegen nur 6,1 %.

Zudem geben laut Konsumerhebung Haushalte im unteren Einkommensfünftel ihr gesamtes verfügbares Einkommen im überwiegenden Maß für lebensnotwendige Güter aus. Diese Haushalte verfügen in vielen Fällen über keine, oder sehr geringe Ersparnisse und können somit zusätzliche Teuerungen kaum stemmen. Sie müssen höhere Ausgaben für Energie durch Einschränkungen bei anderen Ausgaben kompensieren.

Einkommensschwächere Haushalte leben im Vergleich mit einkommensstärkeren Haushalten klimaschonender, da sie auf kleinerem Wohnraum leben, seltener und auch mit kleineren Autos fahren, sowie insgesamt in ihrer Freizeit sparsamer sein müssen, etwa durch weniger Flugreisen.

Haushalte mit niedrigerem Einkommen geben einen höheren Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Energie aus.

Treffsichere Maßnahmen, um kleine Einkommen zu entlasten
Nimmt man diese Zusammenhänge ernst, muss das Ziel von Maßnahmen gegen die derzeitige Teuerung sein, vor allem einkommensschwache Haushalte zu unterstützen und gleichzeitig klimapolitisch sinnvolle Anreize zu setzen, auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen. Die von der Bundesregierung präsentierten Maßnahmen lösen dieses Problem nur teilweise.

Aus klimapolitischer Sicht wurde beispielsweise kritisiert, dass durch die Erhöhung der Pendler*innenpauschale weite Arbeitsstrecken und damit auch die Zersiedelung von Orten und Gemeinden in Kauf genommen wird. Diese Maßnahme gegen Inflation hat auch keinen umverteilenden Effekt, da die Pendler*innenpauschale ein Freibetrag ist, der die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Lohnsteuer reduziert. Dadurch werden einkommensstärkere Haushalte stärker entlastet als einkommensschwächere Haushalte. Sozialpolitisch treffsicherer wäre hier eine Reform der Pendler*innenpauschale: Nämlich eine Umwandlung in einen Absetzbetrag. Dieser reduziert die gesamte zu zahlende Steuerschuld und entlastet somit einkommensschwächere Haushalte stärker.

Denkt man größer, wäre es klüger den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern, etwa durch Zuschüsse zum Klimaticket. Langfristig muss das Ziel sein, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur weiter auszubauen. Nur so werden öffentliche Verkehrswege eine attraktive Alternative zum Individualverkehr. Außerdem muss auch der Tausch von ineffizienten und klimaschädlichen – und letztendlich auch teuren – Heizsystemen weiter forciert werden.

Um insbesondere einkommensschwächere Haushalte kurzfristig zu entlasten, sind auch befristete Transferzahlungen anzudenken, etwa die Verlängerung und Aufstockung des Teuerungsausgleichs. Der Teuerungsausgleich wurde im Dezember 2021 in der Höhe von 150 Euro pro Person für Sozialtransferbezieher:innen beschlossen. Im Jänner 2022 wurde er erneut um 150 Euro aufgestockt und läuft noch bis April 2022.

Um Pensionist*innen zu entlasten, wäre etwa eine Erhöhung des Pensionist:innenabsetzbetrages eine treffsichere Maßnahme.

 

Armut langfristig bekämpfen
Um Armut nachhaltig zu bekämpfen, ist die Erhöhung und „Indexierung“ von Sozialleistungen, das heißt die regelmäßige Anpassung an die Inflation, notwendig. In Österreich schützen weder das Arbeitslosengeld und die darauffolgende Notstandshilfe noch die Sozialhilfe vor Armut: Die Nettoersatzrate von 55 % beim Arbeitslosengeld und von 51 % bei der Notstandshilfe liegen deutlich hinter anderen EU-Ländern wie Dänemark und den Niederlanden mit Nettoersatzraten von 74 %, Portugal mit 76 % oder der Schweiz mit 79 %. Durchschnittlich erhält eine arbeitslose Person in Österreich derzeit 843 Euro pro Monat. Die Sozialhilfe liegt mit maximal 978 Euro nur geringfügig darüber. Unser Sozialstaat garantiert aktuell also vielen Menschen kein Leben ohne Armut, denn die Armutsgrenze liegt in Österreich bei 1.328 Euro für eine alleinlebende Person.

War das Leben vor den jüngsten Teuerungen für viele Menschen kaum leistbar, so ist die Situation jetzt noch angespannter. Daher braucht es dringend treffsichere, sozialpolitische Maßnahmen. Dabei gilt es auch klimapolitische Ziele mitzudenken.

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