„Schnell erklärt“ ist die neue Kolumne des Marie Jahoda – Otto Bauer Instituts in der Neuen Zeit. Von Nora Waldhör.
Sogenannte „Anti-Gender Bewegungen“ wollen die Rechte von Frauen und Personen der LGBTIQ-Community einschränken. Der Mann solle als „Oberhaupt“ der Familie herrschen und alle Macht besitzen. Eine neue Untersuchung zeigt jetzt, von wem diese sogenannten „Anti-Gender Bewegungen“ finanziert werden: Russische Oligarchen mit Verbindungen zu rechtsextremen Parteien, amerikanische Milliardär*innen aus dem Umfeld der Republikanischen Partei und ultrakonservative NGOs aus Europa steckten in den letzten Jahren 700 Millionen Dollar in Propaganda gegen die „Gender-Ideologie“.
Das „Europäische Parlamentarische Forum für sexuelle & reproduktive Rechte (EPF)“ veröffentlichte in den letzten Jahren Berichte, die Einblicke in die Welt der Anti-Gender Bewegungen geben. Ein Bericht aus 2018 etwa zeigt die Machenschaften des Netzwerks Agenda Europe: Dessen Mitglieder haben seit 2013 über 15 politische Initiativen mit dem Ziel, die Menschenrechte auf Abtreibung oder Verhütungsmittel sowie die Rechte von Personen der LGBTIQ-Community abzubauen, gestartet.
Ein weiterer Bericht aus dem Jahr 2020 behandelt ein internationales, religiös-extremistisches Netzwerk aus Lateinamerika, das seine Wurzeln im katholischen Faschismus hat. Mittlerweile ist dieses Netzwerk auch in Europa aktiv und für einige der sichtbarsten Anti-Gender-Initiativen in Polen verantwortlich, darunter Versuche Abtreibungen zu verbieten, sogenannte „LGBT-freie Zonen“ oder den Versuch vom „Istanbul Abkommen“ (ein internationaler Vertrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen) zurückzutreten.
Wer übernimmt die Finanzierung der Anti-Gender Bewegungen in Europa?
Relativ wenig war bisher hingegen über die Finanzierung dieser Bewegungen bekannt. Ein neuer Bericht schließt diese Lücke und zeigt, wie viel Geld für Anti-Gender Bewegungen ausgegeben wurde, woher das Geld kommt und welche wirtschaftlichen und politischen Motive dahinterstecken.
Innerhalb Europas gaben im Zeitraum von 2009 bis 2018 insgesamt 54 Organisationen – darunter Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Stiftungen, religiöse Organisationen und politische Parteien – mehr als 700 Millionen US-Dollar für Anti-Gender Kampagnen aus. Das Geld stammt hauptsächlich aus drei geografischen Regionen, nämlich den USA (81,3 Mio. USD), Russland (188,2 Mio. USD) und aus Europa (437,7 Mio. USD) selbst. Damit stammt der Großteil (61,9 Prozent) des Geldes für frauenfeindliche Kampagnen aus Europa.
Die 81,3 Millionen Dollar aus den USA stammen hauptsächlich von zehn NGOs oder konservativen Denkfabriken der amerikanischen christlichen Rechten. Diese zehn Hauptakteure werden wiederum durch eine Reihe von konservativen Milliadär*innen, die Verbindungen zur Republikanischen Partei und den amerikanischen alternativen und extremen Rechten haben, unterstützt.
Die 188 russischen Anti-Gender-Millionen kommen aus Organisationen, die eng mit den beiden russischen Oligarchen Vladimir Yakunin und Konstantin Malofeev verbunden sind. Auch diese zwei Oligarchen haben Verbindungen zu rechtsextremen Parteien.
In Europa konnten rund 20 private Stiftungen identifiziert werden, die sich an Anti-Gender Mobilisierungen beteiligen. Darüber hinaus entstanden im letzten Jahrzehnt neue transnationale NGO-Allianzen, etwa ein paneuropäischer Anti-Abtreibungsverband, eine ultrakonservative Social-Media Plattform sowie eine Reihe von miteinander verbundenen pseudo-katholischen rechtsextremen Akteuren.
Die Ziele der Anti-Gender Bewegungen
Die Ziele der Anti-Gender Organisationen sind die Einschränkung der sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Personen der LGBTIQ-Community, um die „natürliche Ordnung“ mit dem Mann als Familienoberhaupt, das Macht und Herrschaft ausübt, sicherzustellen. Die Anti-Gender Bewegungen bedrohen aber auch die Rechte von Kindern, etwa in der Diskussion darüber, ob körperliche Gewalt als legitime Erziehungsform legal und damit gesetzlich erlaubt ist.
Zum Weiterlesen:
- Europäisches Parlamentarisches Forum für sexuelle und reproduktive Recht (2021): Die Spitze des Eisbergs: Religiös-extremistische Geldgeber gegen Menschenrechte auf Sexualität und reproduktive Gesundheit in Europa 2009-2018, online unter:
https://www.epfweb.org/node/837 - SoHo Österreich (2021): Bericht: Die Lage der LGBTIQ-Community im Jahr 2021, online unter: https://www.soho.or.at/bericht-lgbtiq-community-2021/
- Marie Jahoda – Otto Bauer Institut: Ronja verdient mehr, online unter:
https://www.ronja-verdient-mehr.at (aktualisiert mit Februar 2022) - Marie Jahoda – Otto Bauer Institut (2022): Der Kampf um die Gleichberechtigung. Anti-Gender Movements demystified, online unter:
https://jbi.or.at/der-kampf-um-die-gleichberechtigung-anti-gender-movements-demystified/