Die Arbeiterkammer ist einer von vielen Selbstverwaltungskörpern in Österreich. Die Bedeutung für die ArbeitnehmerInnen in Österreich ist größer als so mancheR glauben mag. Die AK fungiert nicht nur als Beratungsstelle sondern als umfassende Interessensvertretung der ArbeitnehmerInnenschaft in Österreich. Von Klaus Baumgartner. Zur PDF Version.
Die Rolle der Arbeiterkammer
Der Aufgabenbereich der Arbeiterkammer als Interessensvertretung der ArbeitnehmerInnen ist vielfältig und umfangreich. Am direktesten ersichtlich ist die Beratungstätigkeit für alle Mitglieder, speziell im Arbeits- und Sozialrecht. Darüber hinaus fungiert die AK als Lobby für die ArbeitnehmerInnenschaft, in dem sie mit ExpertInnenwissen zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Fragen Stellung bezieht. Direkten Kontakt haben viele ArbeitnehmerInnen durch die Rechtsvertretung vor dem Arbeits- und Sozialgericht. Nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich ist die Tätigkeit bei der Begutachtung von Gesetzesentwürfen und Verordnungen oder gar die Formulierung von Gesetzesvorschlägen. Die AK kontrolliert zum einen auch die ArbeitnehmerInnenschutzeinrichtungen und wirkt in zahlreichen Kommissionen und Beiräten (z.B. Lehrlingswesen, Arbeitsbedingungen, Wettbewerbs- / Arbeitsmarktpolitik, KonsumentenInnenschutz) mit. Die AK Vollversammlung entsendet VertreterInnen in eine Vielzahl von Organisationen und Institutionen in Abhängigkeit vom Ergebnis der AK-Wahlen. Als der bedeutendste Teilbereich ist hier sicherlich der Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu nennen. Die Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die Pensionsversicherungsanstalten (PVA) und die Gebietskrankenkassen (GKK) sind nur ein Teil der Institutionen die von VertreterInnen der Kammern (vor allem der Arbeiterkammer) geleitet werden. Mitglieder der Arbeiterkammer werden z.B. auch in den Verwaltungsrat des AMS entsandt, um dort für die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu arbeiten. Ebenso erstellt die AK Vorschläge für LaienrichterInnen bei den Arbeits- und Sozialgerichten bzw. BeisitzerInnen beim Kartellgericht. Auch überstaatliche Komponenten gibt es im Aufgabenbereich der AK durch die Mitgliedschaft in internationalen Dachverbänden sowie durch die Entsendung von VertreterInnen in den Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union. Bei der bevorstehenden AK Wahl wird also nicht „nur“ gewählt wer in der Vollversammlung stimmberechtigt ist – es wird der künftige Kurs der Interessensvertretung aller ArbeitnehmerInnen entschieden.
Das System der Kammern
Viele der Funktionen der Kammern dürfen nur im Namen der gesamten betroffenen Gruppe wahrgenommen werden, so dass es vorab zu einem kammerinternen Interessensausgleich kommen muss. Dieser Interessensausgleich spiegelt die zentrale demokratiepolitische Rolle der Kammern wieder. Der Verwaltungsgerichtshof zeigt dies in seiner Entscheidung: „Es ist Aufgabe der Interessensvertretungen, die möglicherweise widerstreitenden Interessen ihrer Mitglieder im internen Bereich aufeinander abzustimmen und nach außen hin in allen Angelegenheiten, bei denen sie ein Mitwirkungsrecht besitzen, eine einhellige Stellungnahme zu beziehen.“ Die Interessensabstimmung ist „nicht eine bloße Summierung, sondern einen Integrierung der Interessen der von der Institution vertretenen Personen und damit etwas von den Einzelinteressen grundsätzlich verschiedenes.“
SozialpartnerInnenschaft
Die Österreichische SozialpartnerInnenschaft bezeichnet die freiwillige Zusammenarbeit der vier SozialpartnerInnen mit dem Ziel, Interessensgegensätze durch Konsenspolitik zu lösen und offene Konflikte einzudämmen. Die ArbeitnehmerInneninteressen werden von der Arbeiterkammer (vertritt ca. 3.700.000 Personen) und dem ÖGB (vertritt ca. 1.200.000 Personen) vertreten. Für die Interessen der ArbeitgeberInnen steht die Wirtschaftskammer (vertritt ca. 270.000 Personen) sowie als vierte Interessensvertretung, die Landwirtschaftskammer (vertritt ca. 200.000 Personen). Neben den politischen Parteien sind es die vier SozialpartnerInnen, die den größten Einfluss im politischen System Österreichs haben. Aufgrund des Erfolgs und der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung erweiterte sich die Tätigkeit der SozialpartnerInnenschaft auf den gesamten Wirtschafts- und Sozialbereich. Die SozialpartnerInnen sind im Rahmen von parlamentarischen Ausschüssen am Themensetzungsprozess beteiligt und garantieren durch ihre Expertise nicht nur die Durchführung, sondern auch die Akzeptanz. „Die österreichische Sozialpartnerschaft beruht nun auf dem Verständnis, dass die Verfolgung der gemeinsamen Interessen ungleich größere Vorteile bringt als die Verfolgung der unterschiedlichsten konkurrierenden Partikularinteressen.“ Das System der SozialpartnerInnenschaft ist international einzigartig und ein wesentlicher Faktor für den Ruf Österreichs als soziales Vorzeigeland. In anderen Ländern gibt es entweder dieses Ausmaß an Selbstbestimmung nicht oder gar keine vergleichbaren Kammern. Grundsätzlich gehören (fast) alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der AK an, ebenso Arbeitslose nach einem Arbeitsverhältnis für die Dauer von mehr als einem Jahr oder eines längeren Bezuges einer Leistung der Arbeitslosenversicherung. Die Mitgliedschaft ist eine vom Gesetzgeber bestimmte „Pflichtmitgliedschaft“. Der Beitrag beträgt 0,5% des Bruttoeinkommens. Österreichweit gibt es 3,7 Millionen Mitglieder. Von ihren Mitgliedsbeiträgen werden über 80% für die direkten Dienstleistungen für AK Mitglieder verwendet.
Die AK-Wahlen
Die AK-Wahlen sind weit mehr als eine Entscheidung über die Besetzung der Arbeiterkammer. Durch ihre vielfältigen Mitbestimmungsrechte hat die Arbeiterkammer einen massiven Einfluss auf die soziale Absicherung und die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich. Eine Stimme bei der AK-Wahl hat dadurch viel Gewicht. Sie entscheidet mit über die Zusammensetzung einer Vielzahl von Gremien und Leitungsorganen. In den meisten Fällen hat es dort weitreichenden Einfluss ob es sich um VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen oder ArbeitgeberInnenschaft handelt.
Eine erfolgreiche Geschichte & Gegenwart
1917 fordern tschechische SozialdemokratInnen im Reichsrat die Errichtung von Arbeiterkammern. Auf die Forderung aufbauend bringen der Gewerkschafter Franz Domes und der sozialdemokratische Politiker Karl Renner den Entwurf eines demokratischen Arbeiterkammergesetzes in den Reichsrat ein. Mit Beginn der Ersten Republik beschließt Parlament im Februar 1920 das Gesetz über die Errichtung von Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte. Die Arbeiterkammer soll der Handelskammer – die bereits seit 1848 besteht – als „gleichwertiger Partner“ gegenüberstehen. In den Jahren nach 1934 bzw 1938 wurde die AK schrittweise liquidiert um 1945 wieder gegründet zu werden. Seit damals ist sie eine wichtige Partnerin für Lohnabhängigen und KonsumentInnen. Mehr als 3,7 Millionen Menschen sind Mitglieder der Arbeiterkammern. 507,1 Millionen Euro haben die Arbeiterkammern 2018 österreichweit den Mitgliedern gebracht: Rund 231,9 Millionen Euro haben die Arbeiterkammern für die Mitglieder in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, in Insolvenzrechtsangelegenheiten und im KonsumentInnenschutz herausgeholt – außergerichtlich rund 40,2 Millionen Euro, vor Gericht und Behörden 191,7 Millionen Euro. Sehen lassen kann sich mit rund 229 Millionen Euro auch der Erfolg in den Sozialrechtsangelegenheiten, ein Plus von knapp 5 Prozent gegenüber 2016.