Februarkämpfe: Gedenken bedeutet, künftig richtig zu handeln

by Klaus Baumgartner

Weder in den 1920er-Jahren in Österreich noch heute in Griechenland bewirkten Maßnahmen des Völkerbundes oder der Troika eine Entspannung der Situation

Heute, am 12. Februar, jährt sich der Ausbruch des Bürgerkriegs in Österreich. Die Erste Republik war geprägt von politischen Spannungen und sozialer Not, die junge Demokratie nicht von allen anerkannt. Am 12. Februar wird jener Menschen gedacht, die sich 1934 dem Aufstieg des Faschismus – als erste in Europa – zur Wehr setzten. Jener, die ihre Überzeugung über ihr eigenes Schicksal stellten und ihr Leben ließen.

Doch dieses Gedenken ist nur ehrlich und glaubwürdig, wenn wir uns auch kritisch mit der Gegenwart auseinandersetzen und den Mut haben, Parallelen aufzuzeigen und anzusprechen. Kein Februarkämpfer und keine Februarkämpferin darf ein „Opfer verlorener Zeiten“ sein. Es gilt aber nicht nur den 12. Februar als Beginn des Bürgerkrieges zu betrachten, entscheidend ist auch zu hinterfragen, wie es dazu kommen konnte, dass Menschen mit der Waffe in der Hand versuchten, die Demokratie zu verteidigen.

Austerität in den 1920ern

Österreich war nach dem Ersten Weltkrieg gespalten in der jungen Demokratie, stimmten Konservative doch vor allem aus Angst vor einem Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter für eine demokratische Republik. Als 1920 die Christlichsozialen die Wahlen gewannen und die Wirtschaftskrise Österreich traf, sagten sie den sozialen Errungenschaften den Kampf an. Davon war vor allem die arbeitende Bevölkerung betroffen. Die stetig sinkenden Löhne sowie der Abbau vieler Sozialleistungen wie etwa reduzierte Arbeitslosenunterstützung bremsten die Nachfrage und verstärkten so die Rezession.

Geschuldet waren diese Maßnahmen auch der Austeritätspolitik des Völkerbundes. Österreich wurden im Zuge der Völkerbundanleihen rigide Sparmaßnahmen aufgezwungen, die eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Krise mit sich brachten. Die Umsetzung dieser Politik wurde auch von Gesandten des Völkerbundes kontrolliert – fernab jeder demokratischen Legitimation.

Parallelen mit Griechenland heute

Das kommt einem bekannt vor? Stimmt, denn es gibt Parallelen zum Umgang mit Griechenland heute. Ähnlich wie Österreich damals wurde das Land gezwungen, seine finanzielle Gebarung unter Aufsicht der Troika zu stellen. Die finanzpolitische Souveränität ging somit verloren. Weder in Österreich in den 1920er-Jahren noch in Griechenland bewirkten die Maßnahmen des Völkerbundes beziehungsweise der Troika eine Entspannung der Situation. Im Gegenteil, sie bewirkten und bewirken einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, einen Abbau der medizinischen Versorgung, eine Zunahme an unterernährten Menschen (vor allem Kindern) und eine Vervielfachung der Selbstmorde aufgrund der schier ausweglosen Situation.

Antidemokratischer Nährboden

Diese politisch erzeugte Unsicherheit und Ungewissheit im Leben der Einzelnen sowie das Aushebeln demokratischer Strukturen sind jener Nährboden, auf dem die demokratie- und menschenfeindlichen Ideologien gedeihen und wachsen konnten. Heute haben wir die Chance, aus der Geschichte zu lernen. Wir müssen nicht mit der Waffe in der Hand die Demokratie gegen den Faschismus verteidigen – wir können das durch politische Maßnahmen schaffen. Wir müssen in Österreich, in Griechenland, in Europa für jene Stabilität sorgen, damit diese Ideen nie wieder Fuß fassen können. Dazu braucht es ein Mehr an Demokratie, ein Mehr an sozialstaatlicher Absicherung, ein Mehr an Arbeitsplätzen und eine klare Ansage gegen die einseitige Kürzungs- und Sparpolitik.

Rezept für eine solidarische Gesellschaft

Klar ist, das Gedenken an den Februar 1934 dient auch zur Orientierung in der Gegenwart. Denn eine offene und gerechte Gesellschaft, in der wir in Freiheit von Furcht und Not leben, ist das beste Rezept für eine solidarische Gesellschaft, in der niemand mehr die Demokratie mit der Waffe verteidigen muss

Der Kommentar erschien zuerst als Userkommentar im Standard, hier der Onlineartikel

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