Fiskalpakt stranguliert Europa

by Georg Hubmann

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterzeichneten im März 2012 den so genannten Fiskalpakt. Damit verpflichten sich die Euro-Staaten zu einer rigorosen Sparpolitik. Der Bevölkerung Europas wird die Sparpolitik als „alternativlos“ verkauft. Die Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen und die Wirtschaft, vor allem in den südlichen Euro-Ländern sind verheerend. Die internationale Kritik an der Sparpolitik in Europa wächst zusehends. Aber welcher Weg führt nun aus der Krise heraus? Dazu liegt eine neue Studie vor. Drei Wirtschaftsforschungsinstitute (WIFO Wien, IMK Düsseldorf und OFCE Paris) vergleichen die Folgen der Sparpolitik mit den Auswirkungen von gemeinsamen Staatsanleihen, den Eurobonds.

Ausweg Sparen?
Das Sparszenario geht davon aus, dass der Fiskalpakt eingehalten wird und die gleichzeitige Sparpolitik in den EU-Ländern weitergeht wie vorgesehen. Die ökonomischen und sozialen Konsequenzen sind dramatisch:

Das jährliche durchschnittliche Wirtschaftswachstum in der Eurozone liegt zwischen 2011 bis 2016 bei nur 0,5 Prozent, die Arbeitslosenrate im Schnitt bei über elf Prozent und die Staatsschuldenquote bei über 88 Prozent des BIP der Eurozone. Für einzelne Länder im Süden ist der Ausblick noch schlimmer. In Griechenland sinkt die Wirtschaftsleistung zwischen 2011 und 2016 pro Jahr um 6,4 Prozent, was mit dem wirtschaftlichen Kollaps gleichbedeutend ist. Die Arbeitslosigkeit liegt im Schnitt bei etwa 27 Prozent und die Staatsschuldenquote bei etwa 150 Prozent des BIP. Für Spanien gilt Ähnliches: Die Wirtschaft wächst um lediglich 0,2 Prozent, die Arbeitslosenquote liegt bei 24 Prozent und die Staatsschuldenquote bei etwa 80 Prozent.

Ausweg Eurobonds?
Als alternatives Szenario werden zur Lösung der Eurokrise europäische Staatsanleihen, Eurobonds, eingeführt. Das ermöglicht den Ländern eine günstige Refinanzierung (2% Zinsen), da alle Staaten solidarisch die Sicherheit der Anleihen garantieren. Die Konsolidierungsmaßnahmen des Fiskalpakts gibt es in diesem Szenario nicht. Die ökonomischen Folgen sind dabei für die gesamte Eurozone bei weitem positiver. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum von 2011-2016 beträgt 1,3 Prozent, die Arbeitslosigkeit im Schnitt etwa zehn Prozent und die Staatsschuldenquote etwa 87 Prozent. In Griechenland liegt das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum bei minus 1,2 Prozent, die Arbeitslosigkeit im Schnitt bei etwa 21 Prozent, und die Staatsschuldenquote bei etwa 127 Prozent des BIP und damit bedeutend niedriger als im ersten Szenario (etwa 150 Prozent). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich in Spanien. Das Wirtschaftswachstum liegt im Schnitt bei etwa einem Prozent, die Arbeitslosigkeit bei etwa 23 Prozent und die Staatsschuldenquote bei rund 78 Prozent. Die Grafiken verdeutlichen die Ergebnisse für die Eurozone.

Sparen ist keine Lösung
Der Vergleich zeigt, dass die Sparpolitik eine bloße Symptombekämpfung und keine Therapie für die eigentliche Krankheit ist. Das Ausgangsproblem der Krise waren nicht die Schulden der öffentlichen Haushalte, sondern die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung, unregulierte Finanzmärkte und Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften Europas. Sie haben dazu geführt, dass den Wohlhabenden immer mehr Geld zur Verfügung stand um am Finanzmarkt wie im Casino zu spielen, während sich die breite Masse verschulden musste um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Nur zur Erinnerung: Spanien und Irland hatten bis 2007 Budgetüberschüsse und ihre Schuldenquote lag unter 30% des BIP. Und wo heute schon wie in Griechenland und Spanien streng gespart wird, dort verarmen die Menschen und die Wirtschaftsleistung sinkt. So kann auch kein Schuldenabbau erreicht werden.

In den sozialen Fortschritt investieren
Solidarität ist gefragt, das wird aus dieser Analyse sehr deutlich. Denn nur wenn die Staaten in Europa zusammenhalten und sich als Einheit verstehen, werden wir gut aus dieser Krise kommen. Es geht jetzt darum, Ungleichheiten in der Einkommensverteilung und die Unterschiede in der Lohnentwicklung in den Staaten abzubauen. Dazu brauchen wir eine europaweit koordinierte Lohnpolitik und vernünftige Steuern auf hohe Einkommen und vor allem auf Vermögen.
Sozialer Fortschritt heißt den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Staaten der Eurozone müssen gerade jetzt investieren und zwar in den Wohlstand der Menschen, dabei geht es vor allem darum die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die so hohe Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Portugal und Spanien nimmt einer ganzen Generation die Perspektive auf ein gutes Leben. Dabei ist klar, dass die Sparpolitik der Staaten noch nie nur einen Arbeitsplatz geschaffen, oder gar private Unternehmer zu Investitionen ermutigt hat. Vielmehr braucht es öffentliche Investitionen, die zu mehr Arbeit und Beschäftigung führen. Gemeinsam mit höheren Steuern auf Vermögen und Erbschaften sowie Abgaben für Finanztransaktionen ist sozialer Fortschritt in ganz Europa möglich.

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