Der Lockdown und die Unvereinbarkeit von Home-Office und Kinderbetreuung

by Johannes Rendl

Mitte März wurde von der Bundesregierung ein Lockdown verhängt, um die Ausbreitung des COVID-19 Virus einzudämmen. Von Katharina Mader, Judith Derndorfer, Franziska Disslbacher, Vanessa Lechinger und Eva Six. Zur PDF-Version.

Mitte März wurde von der Bundesregierung ein Lockdown verhängt, um die Ausbreitung des COVID-19 Virus einzudämmen. Schulen und Kindergärten wurden defacto zugesperrt, ArbeitgeberInnen gebeten jene MitarbeiterInnen in nicht-systemerhaltenden Berufen, die sie bis dato noch nicht gekündigt oder in Kurzarbeit geschickt hatten, im Home-Office arbeiten zu lassen. Diese Ausgangsbeschränkungen veränderten unseren Lebens- und Arbeitsalltag rasant und drastisch.

Die Corona-Krise als „Gleichmacherin“?
Manche ÖkonomInnen argumentierten am Beginn der COVID-19 Pandemie, die Krise werde wie eine „Gleichmacherin“ zwischen den Geschlechtern wirken. Denn Väter, die nun zum Home-Office gezwungen wurden, würden sehen, wie viel Zeit und Energie Hausarbeit und Kinderbetreuung brauchen. In weiterer Folge würden sie daher zukünftig eher bereit sein, einen größeren Anteil der unbezahlten Arbeit zu übernehmen. Mehr Gerechtigkeit zwischen Geschlechtern sei daher eine erwartbare Folge der Pandemie (z.B. Alon et al. 2020).

Andererseits zeigten Studien (z.B. Lott 2020) über den Zusammenhang von Home-Office und der Verteilung unbezahlter Arbeit in Haushalten aus Deutschland aus dem Vorjahr – also aus Vor-Krisenzeiten – drei wesentliche Erkenntnisse: Erstens, Home-Office brachte weder Müttern noch Vätern einen Freizeitgewinn. Zweitens, Mütter, die im Home-Office arbeiteten, kümmerten sich zwischen eineinhalb und drei Stunden länger um die Kinder als Mütter mit fixen Arbeitszeiten. Gleichzeitig widmeten sie sich aber auch rund eine Stunde länger der Erwerbsarbeit. Drittens kümmerten sich Väter im Vergleich nicht mehr um die Kinder als ihre Kollegen mit Arbeitsplätzen außerhalb des eigenen Haushalts. Die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, hatte keinen Einfluss auf ihr Engagement für die Familie. Was bei Männern außerdem auffällt: Je flexibler das Arbeitszeitarrangement, desto mehr Überstunden wurden für die Erwerbsarbeit erbracht.

Home-Office verändert also nicht (automatisch) Geschlechterrollen und die Verteilung von unbezahlter Arbeit. Interessanterweise haben Frauen auch auf Basis dieser Rollenbilder seltener Zugang zum Home-Office, denn ihnen wird tendenziell öfter unterstellt, dass sie sich zu Hause zu viel um Kinder und den Haushalt kümmern, statt konzentriert zu arbeiten. Daher – das haben die Studien zu Deutschland auch ergeben – befürchten Frauen zudem weitaus häufiger als Männer berufliche Nachteile, wenn sie Home-Office in Anspruch nehmen, unabhängig ihres Karrierelevels (Lott 2018; Lott 2020).

Unbezahlte Reproduktionsarbeit und Geschlecht
Wir wollten daher untersuchen, wie sich die Veränderungen im Bereich der Erwerbsarbeit im Zuge des Lockdowns auf die Zeitverwendung der Menschen in Österreich auswirken und erhoben dazu im Rahmen einer Online-Befragung Daten. Besonders interessierten uns die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Corona-Krise. Denn die Pandemie in Kombination mit Kindergarten- und Schulschließungen sowie der Nicht-Verfügbarkeit von Großeltern verlagerte die Care-Arbeit größtenteils ins Private. Bereits vor dem Lockdown wurde die unbezahlte Arbeit, wie etwa Kochen, Putzen, Kinderbetreuung und Pflege, überwiegend von Frauen erbracht. Die Zeit der Ausgangsbeschränkungen bedeutete dementsprechend für viele Menschen Stress, Überlastung und das Gefühl unfairer Aufgabenverteilung. Viele Streitigkeiten in Partnerschaften entstanden rund um die Wertschätzung von Kinderbetreuung und Hausarbeit. Oftmals stand der Konflikt im Mittelpunkt: Welche Tätigkeit ist wie viel wert und wer „darf“ deshalb wie viele Stunden am Tag erwerbstätig sein.

Schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Ähnlich wie in offiziellen Zeitverwendungserhebungen üblich, baten wir die Menschen ihre Zeitverwendung von gestern bzw. vom letzten Werktag in Intervallen von Viertelstunden anzugeben. Für viele Menschen ergab sich durch die Begrenzung auf 24 Stunden eine große Schwierigkeit, denn vor allem Nebentätigkeiten verschärften sich durch den Lockdown enorm – zum Beispiel, wenn Kinder während des Home-Office im gleichen Zimmer betreut werden (mussten). Eine wesentliche Rückmeldung der Befragten, dass Tage während des Lockdowns keine 24 Stunden hatten, sondern vielmehr 36 bis 42 Stunden, spiegelt diese Überbelastung wider.

Betrachten wir bezahlte und unbezahlte Arbeiten, so arbeiteten Frauen und Männer während der Ausgangsbeschränkungen zwischen 11 und 15 Stunden pro Tag. Alleinerzieherinnen kamen mit knapp 15 Stunden auf die meisten Stunden, wobei sie davon 9 Stunden unbezahlte Kinderbetreuung und Hausarbeit verrichteten. Mütter in Paarhaushalten mit Kindern kamen jedoch erstmals auf sehr ähnliche Zahlen und arbeiteten 14 ¼ Stunden – 9 ½ davon unbezahlt. Väter in Paarhaushalten arbeiteten hingegen knappe 13 ¾ Stunden und davon 7 unbezahlt. Diese Relationen zeigen sich vor allem auch in Haushalten mit Kindern unter 15 Jahren, in denen beide Eltern während der Ausgangsbeschränkungen im Home-Office waren. Diesbezüglich zeigen die Antworten aus dem Fragebogen auch die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Home-Office und Kinderbetreuung: „Ich kann gar nicht sagen wie unmöglich es ist Kinderbetreuung und Home-Office zu vereinbaren“.

Home-Office und das „Zuhause sein“ verstärkten vorhandene Rollenbilder und Strukturen vielmehr als sie anzugleichen und hatten damit eine massive Mehrfachbelastung für Frauen zur Folge. So zeigen unsere Ergebnisse beispielsweise auch große Unterschiede bei der Zeitverwendung in jenen Paarhaushalten in denen „er”, der Familienernährer, Vollzeit erwerbstätig ist und „sie” als Zuverdienerin Teilzeit beschäftigt ist. Dort arbeiten Frauen 13 ¼ Stunden, 7 ½ unbezahlt, während Männer 13 Stunden arbeiten, davon knappe 5 unbezahlt.

Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit je nach Alter des jüngsten Kindes
Erwerbsbiografien, insbesondere von Müttern, variieren grundsätzlich stark anhand des Alters ihres Kindes bzw. ihrer Kinder. Bei der Betrachtung der Zeitverwendung nach dem Alter des jeweils jüngsten Kindes werden daher nicht nur die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern auch die Unterschiede innerhalb der Gruppe der Mütter sichtbar. Mütter von Kleinstkindern (0-2 Jahre) kamen mit knappen 11 Stunden pro Werktag auf die meisten Stunden an unbezahlter Arbeit. Davon verwendeten sie etwas mehr als 7 Stunden für die Kinderbetreuung, den Rest für andere Hausarbeit, wie kochen oder putzen. Mit durchschnittlich ca. 3 Stunden an Erwerbsarbeit war das auch die Gruppe mit der geringsten Erwerbsbeteiligung. Aufgrund von Karenzzeiten ist das wenig verwunderlich. Wird die bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammengezählt, erreichen sie dennoch die zweithöchste Gesamtarbeitszeit. Väter von Kleinstkindern kamen auf knapp über 7 Stunden Erwerbsarbeit pro Werktag und übernahmen knappe 6 Stunden unbezahlte Arbeit, hiervon 4 Stunden Kinderbetreuung.

Je älter das jüngste Kind in einem Haushalt ist, umso geringer wurde nicht nur die Zeit der Kinderbetreuung, sondern auch der Unterschied zwischen Müttern und Vätern, der bei den 0-2-Jährigen bei über 3 Stunden an Gesamtarbeitszeit pro Tag lag. Wenn das jüngste Kind zwischen 3 und 5 Jahre alt ist, übernahmen Mütter pro Tag etwas über 2 Stunden mehr Kinderbetreuung als Väter. Und insgesamt verwendeten sie durchschnittlich 3 Stunden mehr für unbezahlte Arbeiten auf. Väter hingegen sind im Schnitt 2 Stunden mehr erwerbstätig als Mütter. Das ist ein bereits vor der Krise bekanntes Bild: die unbezahlte Arbeit wird überwiegend von Frauen geleistet, während Männer tendenziell mehr bezahlt arbeiten.

Die Gesamtarbeitsbelastung war mit 14 ½ Stunden bei Müttern von Kindern im Volksschulalter (6 bis 9 Jahre) am größten. Diese Frauen waren durchschnittlich 6 Stunden erwerbstätig und übernahmen mit 5 ½ Stunden Kinderbetreuung nur unwesentlich weniger Kinderbetreuung als Mütter von Kindergartenkindern. Hier wird die Belastung durch das Home-Schooling deutlich. Und auch hier zeigt sich eine ähnliche Relation: Mütter machten sogar 2 ¼ Stunden mehr Kinderbetreuung als Väter und 3 ¼ Stunden mehr an insgesamt anfallender unbezahlter Arbeit. Väter von Kindern dieser Altersgruppe waren auch hier im Schnitt 2 Stunden pro Tag länger erwerbstätig als Mütter.

Bei Eltern deren jüngstes Kind zwischen 10 und 14 Jahren alt war, schrumpfte der Unterschied
in der Kinderbetreuung zwischen Vätern und Müttern erstmals deutlich, was auch an
dem grundsätzlich wesentlich niedrigeren Niveau an notwendiger Kinderbetreuung liegt.
Mütter übernahmen 1 ½ Stunden mehr Kinderbetreuung, insgesamt knappe 2 ¾ Stunden
unbezahlte Arbeiten und machen 2 ½ Stunden weniger Erwerbsarbeit als Väter.

Kinderbetreuung während des Home-Office
Die Kinderbetreuung gestaltete sich also vor allem für erwerbstätige Mütter oft schwierig.
Von den befragten Frauen mit Kindern unter 15 Jahren, gaben 25% an, dass sich vorwiegend
ihr Partner während ihrer Arbeitszeit um die Kinder kümmert und in 30% der Fälle wurde
angegeben, dass die Kinder sich selbst beschäftigen. Der Großteil der Frauen (mit rund 38%)
gab jedoch an, dass die Kinder während der Erwerbsarbeitszeit im selben Raum beaufsichtigt
wurden. Für Männer sieht dieses Bild, wie Abbildung 1 zeigt, anders aus: 51% der Väter gaben
an, dass die Partnerin sich um die Kinder kümmert, 27% dass die Kinder sich selbst beschäftigen
und nur 19%, dass sie im selben Raum waren. Es liegt also der Schluss nahe, dass sich
Mütter im Home-Office deutlich weniger gut auf ihre Erwerbsarbeit konzentrieren konnten.

Das spiegelt sich auch in ihrer Zufriedenheit mit der Arbeit wider. Auf die Frage (“Wie zufrieden
sind Sie gegenwärtig mit Ihrer Arbeit?”) antworteten Frauen weniger häufig mit “Sehr
zufrieden” als Männer, zu 28% sogar “Eher nicht zufrieden” oder “Unzufrieden”. Männer gaben
hingegen nur zu 19% an, (eher) unzufrieden zu sein (siehe Abbildung 2).

Schwierigkeiten und Schuldgefühle bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit
Durch die Notwendigkeit der gleichzeitigen Organisation von Erwerbsarbeit im Home-Office,
Kinderbetreuung, Home-Schooling und Hausarbeit war die Situation von Personen mit
Kindern (unter 15 Jahren) während den Ausgangsbeschränkungen besonders schwierig.
Diese Personengruppe wurde nach ihrer Zustimmung bzw. Ablehnung von vier ausgewählten
Statements zum Thema “Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Home-Office” befragt.
Abbildung 3 zeigt den Anteil jener Personen, welche dem jeweiligen Statement voll, eher, eher
nicht oder gar nicht zustimmen nach Geschlecht. Es zeigt sich zunächst, dass die Antworten
von Frauen und Männern zu großen Teilen sehr unterschiedlich ausfallen. So stimmten
Statement 1 “Es fällt mir leicht meine Freizeit, Arbeit und Haushalts-/Betreuungsaufgaben
zu vereinbaren” fast ¾ der Frauen (72,4%) eher nicht oder gar nicht zu, während dieser Anteil
bei den Männern “nur” 50% betrifft. Zudem ist jener Anteil der Männer der voll zustimmt
mit 17,4% mehr als doppelt so hoch als bei den Frauen (7,6%).

Auch die Antworten von Frauen und Männern zu Statement 2 “Ich komme besser mit meinen
Kindern zurecht, wenn ich für die Arbeit die Wohnung verlasse und nicht im Home-Office
arbeite” unterscheiden sich diametral. So stimmten fast 70% der Frauen dieser Aussage
eher oder voll zu, während nur etwa 40% der Männer angaben, dass Statement 2 voll bzw.
eher zutrifft. Bei den Statements 3 und 4 “Ich habe Schuldgefühle, dass ich meine bezahlte
Arbeit / meine Kinder vernachlässige” zeigt sich zudem, dass insbesondere Frauen während
der Ausgangsbeschränkungen unter Schuldgefühlen – sowohl im Bereich Erwerbsarbeit als
auch in Hinblick auf ihre Kinder – litten. In etwa 50% bzw. 70% der Frauen gab an Statement
3 (Erwerbsarbeit) bzw. 4 (Kinder) eher oder voll zuzustimmen, während diese Werte bei den
Männern mit ca. 35% bzw. 50% deutlich geringer ausfielen.

Anmerkung: Diese Frage wurde nur an Personen mit Kindern unter 15 Jahren gestellt, welche
während der Ausgangsbeschränkungen (zumindest teilweise) von zu Hause gearbeitet haben.

Home-Office als Lösung für Vereinbarkeitsprobleme?
Auf die Frage, ob Home-Office (wenn möglich) auch nach dem Lockdown öfters in Anspruch
genommen wird, gaben Männer und Frauen jedoch oftmals eine ähnliche Antwort: “Trifft
eher zu”. Home-Office ist wohl jedenfalls besser als kein Office. Die klassischen Vor- und
Nachteile des Home-Office wie aus der Literatur bekannt, können natürlich nicht 1:1 in die
Situation des Lockdowns übertragen werden. Die Zeit war besonders für Familien mit Kindern
sehr herausfordernd, und hier nochmals besonders für Mütter. Die Annahme, dass sich klassische Rollenbilder in der Verteilung der Kinderbetreuung und “dem Recht auf ruhiges Arbeiten” in Krisenzeiten festschreiben, bestätigen unsere Auswertungen. Home-Office kann deswegen nicht das alleinige Instrument sein, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, nicht während, und auch nicht nach dem Lockdown. Die Diskussion um einen Ausbau von Home-Office sollte vielmehr in erster Linie von der Argumentation, dass sie Vereinbarkeitsfragen lösen würde, entkoppelt werden. Die Wichtigkeit des Ausbaus von flächendeckenden, qualitätsvollen und leistbaren Kinderbetreuungsstätten muss hier einmal mehr betont werden.

Erstmals scheint außerdem klar zu werden – wenn Schulen, Kindergärten und Großeltern nicht mehr zur Verfügung stehen (können) – welche Netzwerke an un(ter)bezahlter Arbeit eigentlich notwendig sind, wenn es um die Betreuung von Kindern geht. Die derzeitige Situation macht also auch deutlich: Wenn eine Gesellschaft nach mehr Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann muss es auch ganz wesentlich um eine Umverteilung der unbezahlten Arbeit im Privaten gehen. Gerade zwischen heterosexuellen Paaren müssten Arbeitsaufteilungen neu verhandelt werden, damit Frauen und Männer auch im öffentlichen Bereich gleichberechtigt auftreten können.

Zum Weiterlesen
• Alon T., Doepke M., Olmstead-Rumsey J. & Tertilt M. (2020). The Impact of COVID-19 on Gender Equality. CRC TR 224 Discussion Paper Series crctr224_2020_163.
• Lott, Y. (2018). Does flexibility help employees switch off from work? Flexible working-time arrangements and cognitive work-to-home spillover for women and men in Germany. Social Indicators Research, 1-24.
• Lott, Y. (2020). Work-Life Balance im Homeoffice: Was kann der Betrieb tun? WSI Report No.54.
• Projektwebseite: https://www.wu.ac.at/vw3/forschung/laufende-projekte/genderspezifscheeffektevoncovid-19
• Alles zu Geschlechterunterschieden in einfachen Grafiken: www.ronja-verdient-mehr.at

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