Die Demokratie wird immer wieder kritisiert und als überholtes politisches Systemabgeschrieben. Die Beschreibungen gehen dabei von Elitenprojekt, über Entpolitisierung bis zur Postdemokratie. All diese Zuschreibungen haben eins gemeinsam: Sie sehen einen gravierenden Unterschied zwischen dem Ideal der Demokratie und der politischen Wirklichkeit. Wo liegen die Probleme und Herausforderungen in unserer Regierungsform und wie kann ihnen begegnet werden? Ist die oft geforderte direkte Demokratie der Schlüssel zur Wiederbelebung der Partizipation und des Interesses der Bevölkerung an Politik?
Wo liegen die Probleme?
Umfragen machen deutlich, dass schon seit einigen Jahren ein hohes Maß an Unzufriedenheit und Verdrossenheit der Bevölkerung gegenüber der Politik und im speziellen der PolitikerInnen und der Parteien herrscht. Der starke Rückgang von Parteimitgliedschaften und die konstant sinkenden Wahlbeteiligungen (bis 1986 immer über 90%, 2008 nur mehr 78,8%) sind ein weiteres Indiz für den Rückzug der Menschen von der Politik. Das Image der PolitikerInnen und Parteien ist am Boden. Seit längerer Zeit bilden sich immer wieder Alternativen und neue Formen der politischen Teilhabe. Greenpeace, ATTAC, die Piraten Partei oder andere Gruppen versuchen im politischen Spektrum mitzuwirken. Dennoch geht der Trend der Abkehr der Bevölkerung von der Politik unvermittelt weiter.
Wege aus der Demokratiekrise
Ein weit verbreiteter Vorschlag ist die Ausweitung direktdemokratischer Partizipationsformen. Mehr direkte Volksentscheide wie in der Schweiz, oder zwingende Volksabstimmungen nach erfolgreichen Volksbegehren werden gefordert. Damit soll der Politikverdrossenheit und dem Desinteresse gegenüber der Politik begegnet werden und eine Belebung der gesamten Demokratie stattfinden. Der Ansatz der aktiveren Einbindung der Bevölkerung in den politischen Prozess ist sicherlich ein wichtiger und richtiger Weg, allerdings ist die Art und Weise, wie diese erfolgt die entscheidende Frage.
Direktdemokratische Volksentscheide als Lösung?
Die größte Politikverdrossenheit und das größte Desinteresse an der Politik werden in Untersuchungen bei ökonomisch schwachen und bildungsfernen Schichten nachgewiesen. Auch der konstante Rückgang der Wahlbeteiligungen geht überproportional auf Kosten diese Gruppen. Noch stärker manifestiert sich dieses Phänomen je komplexer und anspruchsvoller das Partizipationsverfahren ist. Das bedeutet, dass zum Beispiel bei BürgerInneninitiativen, Demonstrationen oder Konsumboykotten die Repräsentation ökonomisch schwacher und bildungsferner Schichten noch dramatischer sinkt. Diese fühlen sich in diesem System nicht mehr repräsentiert und verweigern daher die Teilnahme. Dies ist ein Kernproblem der gegenwärtigen Demokratie und auch der geforderten direktdemokratischen Entscheidungen.
Demokratie für alle!
Die negative Entwicklung des Partizipationsverhaltens ökonomisch schwacher und bildungsferner Schichten sollte in der Politik die Alarmglocken schrillen lassen. Der dramatische Rückgang der demokratischen Beteiligung der „Unterschichten“ bedeutet eine immer stärker werdende Verzerrung der Repräsentation und stellt die gesamte Demokratie in Frage. Durch den vermeintlichen wirtschaftlichen Druck zu Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung der Staaten untereinander, werden die Sozialleistungen immer weiter zurückgefahren. Die Gruppe der Menschen, die in die Armutsfalle geraten wird immer größer – Anstieg der manifest Armen von 344.000 im Jahr 2005 auf 511.000 im Jahr 2010. Das Anwachsen der sozioökonomischen Unterschicht wird so über kurz oder lang zu einem demokratiepolitischen Pulverfass. Viele Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr repräsentiert und kapitulieren vor ihrem eigenen Ohnmachtsgefühl selbst nichts ändern zu können.
Gerade die SPÖ muss sich aufgrund ihres Wertekanons von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität wieder verstärkt um diese politikfernen Schichten kümmern und versuchen diesen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung zurück ins Boot zu holen. Es bedarf einer unbedingten Repräsentation aller Gruppen der Bevölkerung innerhalb des parteipolitischen Spektrums um den Anforderungen einer repräsentativen Demokratie Rechnung zu tragen.