Vor 20 Jahren, im Jahr 1997, haben mehr als 650.000 Menschen in Österreich mit ihrer Unterschrift das Frauenvolksbegehren unterstützt. Sie setzten damit ein klares Zeichen für mehr geschlechterspezifischer Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Viele der Forderungen des Frauenvolksbegehrens aus 1997 sind nicht umgesetzt worden, von gleichen Rechten ist noch lange nicht die Rede. Aus diesem Grund gibt es erneut die Möglichkeit für die Gleichberechtigung von Mann und Frau aktiv zu werden – seit 12. Februar läuft der Unterstützungszeitraum für das Frauenvolksbegehren 2.0. Von Nora Waldhör. Zur PDF Version.
Geschlechterspezifische Einkommensunterschiede
Im Jahr 2015 haben Frauen für denselben Job um rund 10.865 Euro brutto im Jahr weniger verdient als Männer. Das sind etwa 22 Prozent. In Oberösterreich war der Einkommensunterschied sogar noch größer: Frauen haben im Jahr 2015 um 38 Prozent, oder 12.770 Euro, weniger verdient als Männer. Somit stellt Oberösterreich das Schlusslicht im Bundesländervergleich dar. Zwischen den Branchen liegen die Unterschiede laut Rechnungshof-Einkommensbericht 2016 sogar zwischen 57 und 85 Prozent. Aber auch international betrachtet ist die Einkommenssituation in Österreich mehr als bedenklich, denn innerhalb der EU nimmt Österreich den viertletzten Platz ein. In Island und Deutschland sollen neue Regelungen dafür sorgen, dass derartige Einkommensungleichheiten verhindert werden. Der unlängst beschlossene Equal Pay Act garantiert in Island gleichen Lohn für gleichwertige Tätigkeit. Dieses neue Gesetz gilt für alle Betriebe ab 25 MitarbeiterInnen und Unternehmen sind dazu verpflichtet, faire Bezahlung zu dokumentieren. Mehr Lohngerechtigkeit soll in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz bringen: In Betrieben ab 200 Beschäftigten kann in Zukunft offiziell erfragt werden, wie viel KollegInnen in vergleichbaren Positionen verdienen. Die Gründe für Einkommensungleichheit sind komplex. Einerseits sind die Unterschiede zwischen männerdominierten und frauendominierten Branchen sehr groß. Erstere sind hauptsächlich Berufe in besser bezahlten technischen Branchen. Zweitere hingegen sind vor allem der schlechter bezahlte Dienstleistungsbereich wie etwa Handel oder Pflege. Die geringere, geschlechterspezifische Wertschätzung und Anerkennung unterschiedlicher Branchen und beruflichen Tätigkeiten wird dadurch deutlich. Hinzu kommt das diskriminierende Verhalten vieler ArbeitgeberInnen, das für Einkommensungleichheiten innerhalb einer Branche verantwortlich ist. Frauen sehen sich mit wesentlich mehr Karrierehindernissen konfrontiert als Männer. Ab einem gewissen Alter befürchten ArbeitgeberInnen eine mögliche Schwangerschaft oder Familiengründungspläne. Dadurch sinken die Chancen auf eine besser bezahlte Führungsposition deutlich. Zudem ist eine Vollzeitstelle oftmals aufgrund von mangelnden Betreuungseinrichtungen schwer mit anderen Pflichten vereinbar.
Care – Arbeit verteilen – Kinderbetreuung ausbauen
Doch Einkommensungleichheit ist nur ein Aspekt einer ungerechten Arbeitswelt. Ein nicht unwesentlicher Teil ist die nicht bezahlte Reproduktionsarbeit wie Hausarbeit, Erziehungs-, Betreuungs- oder Pflegearbeit. Hauptsächlich werden diese Tätigkeiten von Frauen ausgeübt. Wie bereits oben festgestellt, verdienen Frauen deutlich weniger als Männer. Das ist der Grund, warum viele Familien eher auf das Gehalt der Frauen, anstatt auf das Gehalt des Mannes verzichten. Laut Frauenmonitor 2017 der Arbeiterkammer OÖ gaben im Jahr 2016 22 Prozent der befragten Frauen an, dass Reproduktionsarbeit zur Gänze von ihnen geleistete wird und etwa 48 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass der Großteil von ihnen geleistet wird. Schockierende Zahlen zeigen die Auswertungen des Gleichstellungsreports der Europäischen Union. Demnach haben im Jahr 2015 in Österreich Frauen für bezahlte Arbeit etwa 30 Stunden pro Woche aufgewendet, während Männer 41 Stunden pro Woche aufgewendet haben. Ein umgekehrtes Bild liefert hier die Statistik über unbezahlte Arbeit: während Frauen durchschnittlich 24 Stunden pro Woche für unbezahlte Arbeit aufwenden, so sind es bei Männern nur etwa sieben Stunden pro Woche.
Durch diese ungerechte Aufteilung der Reproduktionsarbeit bleibt Frauen oft keine andere Möglichkeit, als Teilzeit anstatt Vollzeit arbeiten zu gehen. Dadurch sinkt die Anzahl der bezahlten Arbeitsstunden und gleichzeitig auch das selbstverdiente Einkommen. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist auch die geringere soziale Absicherung, die damit einhergeht. Auswirkungen hat das vor allem auf Sozialversicherungsleistungen wie Pensionsen oder Arbeitslosenversicherung. Außerdem entsteht ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zwischen Frau und Mann.
Die Reproduktion von geschlechterspezifischen Klischees und Stereotypen
Ein weiteres Thema des Frauenvolksbegehrens ist die Reproduktion von geschlechterspezifischen Stereotypen und Vorurteilen. So fordert das Frauenvolksbegehren beispielsweise ein Verbot von sexistischer, klischeehafter oder abwertender Werbung und Unterrichtsmaterialien. Diese Forderung ist vor allem deswegen von Bedeutung, da dadurch klassische Rollenbilder, aber auch gewisse Normvorstellungen vermittelt und reproduziert werden. So gibt es zahlreiche Werbungen, die Frauen als die perfekten Familienmütter oder Hausfrauen zeigen, die ihre Kinder herzlich mit einem süßen Snack empfangen und sich dabei selber im Garten eine Auszeit gönnen. Oder verzweifelte Frauen, die ohne das tolle Waschmittel maßlos mit der schmutzigen Wäsche überfordert wären. Dann sind aber auch noch jene Werbungen, die Frauen als Sexobjekte darstellen. So kann beispielsweise hinterfragt werden, warum eine Frau in Unterwäsche und Weihnachtsmannmütze auf einer Werbung für Fenster zu sehen ist. Aber auch in Unterrichtsmaterialien werden gewisse Normvorstellungen und Geschlechterrollen reproduziert. Jungs werden häufig als abenteuerlustig, rational, erfinderisch und tapfer dargestellt. Mädchen hingegeben werden oft als zurückhaltend, emotional und verträumt dargestellt. In Werbungen, Filmen oder anderen Medieninhalten sind meist nur heterosexuelle Familien und Partnerschaften zu sehen. Durch all diese Inhalte werden gewisse Rollenbilder und Stereotype vermittelt. Diese weichen jedoch stark von der Realität ab und sind oft extrem respektlos, abwertend und diskriminierend.
Das Frauenvolksbegehren 2.0
Im Text wurden nur einige Probleme und Benachteiligungen, mit denen Frauen 2018 immer noch konfrontiert sind, angesprochen. Das Frauenvolksbegehren 2.0 thematisiert diese und noch weitere Diskriminierungen, die in einer modernen Gesellschaft eigentlich schon längst nichts mehr verloren haben. Insgesamt umfasst der Forderungskatalog des Frauenvolksbegehrens neun Schwerpunkte, wie Armut, Machtverteilung oder Gewalt an Frauen. Dadurch wird deutlich, dass sich geschlechterspezifische Ungleichheiten und abwertendes, sowie respektloses Verhalten in vielen unterschiedlichen Lebensbereichen und Situationen zeigen. Dabei sind diese Ungleichheiten und Diskriminierungen, sowie strukturellen Benachteiligungen manchmal direkt sichtbar, manchmal aber werden sie unbewusst reproduziert und hingenommen. Genau aus diesem Grund ist das Frauenvolksbegehren 2.0 heute relevanter denn je. Und genau aus diesem Grund ist vor allem wichtig, dass möglichst viele Personen mit ihrer Unterschrift ein Zeichen setzen. Denn Gleichberechtigung der Geschlechter ist noch nicht erreicht und muss Stück für Stück erkämpft werden!
Wie – Wann und Wo
Die Unterstützungsfrist des Frauenvolksbegehrens 2.0 startete am Montag, 12. Februar und endet am 12. März 2018. Unterschreiben kannst du entweder digital mit der Bürgerkarte oder der digitalen Signatur, oder an allen Gemeindeämtern in ganz Österreich. Die Unterstützungserklärungen werden benötigt, damit ein Volksbegehren im Nationalrat behandelt wird. Dafür werden im Unterstützungszeitraum 8.401 Unterschriften benötigt. Danach wird die Eintragungswoche, in der das tatsächliche Volksbegehren unterschrieben werden kann, festgelegt. Die Unterstützungserklärungen der Eintragungswoche werden jedoch hinzu gerechnet.
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