Seit Juli 2013 verhandeln EU und USA über eine Handels- und Investitionspartnerschaft, doch das Abkommen hinter den vier Buchstaben TTIP (Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership) ist durchaus umstritten. Der Verhandlungsmodus wird als intransparent kritisiert. Neben dem Abbau von Zollschranken sollen auch gemeinsame Regulierungsstandards vereinbart werden – mit weitreichenden Folgen.
Freihandelsabkommen sind völkerrechtliche Verträge, die den Handel zwischen den beteiligten Staaten vereinfachen und vergünstigen sollen. Das dadurch steigende Handelsvolumen soll das Wirtschaftswachstum ankurbeln und somit Arbeitsplätze sichern und Wohlstand schaffen – zumindest theoretisch. Am Einfachsten lässt sich der Handel zwischen zwei oder mehreren Staaten erhöhen, indem Zölle gesenkt werden. Der Wegfall von Zöllen wirkt sich kostensenkend aus, reduziert also den Preis für die EndverbraucherInnen. Da die Belastung des transatlantischen Handels durch Zölle bereits sehr gering ist, spielt die Beseitigung sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse in den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen TTIP die Hauptrolle. Unter nichttarifären Handelshemmnissen werden unterschiedliche Maßnahmen verstanden, wie etwa technische Regelwerke, Normen oder Zulassungsverfahren, welche die Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen aus dem Ausland beschränken oder zumindest erschweren. Möchte ein Hersteller bspw. Ein Auto verkaufen, dass in der EU nach geltenden Sicherheitsnormen zugelassen ist, muss dieses in den USA einem weiteren Zulassungsverfahren unterzogen werden. Das verursacht Kosten, die den Preis des Produkts für den erhöhen: das Auto wird teurer.
Wirtschaftswachstum durch Freihandel – doch zu welchem Preis?
Unter nichttarifäre Handelshemmnisse fallen Standards in den verschiedensten Branchen und Bereichen, die dem Schutz von KonsumentInnen und BürgerInnen dienen. So könnten europäische Vorschriften im Datenschutz, im Lebensmittelbereich, im Bereich der ArbeitnehmerInnenrechte, des Umwelt- und Verbraucherschutzes durch TTIP untergraben werden. Von KritikerInnen des Abkommens häufig genannte Beispiele sind genmanipulierte Lebensmittel oder zur Desinfektion in Chlor getauchte Hühnchen. Diese könnten ungehindert und ohne Kennzeichnungspflicht in europäischen Supermarktregalen landen. Angesichts der zentralen Rolle von Datenströmen für die Wirtschaft, z.B. für Cloud-Services, werden auch Datenschutzregelungen in den Verhandlungen eine Rolle spielen müssen. Auch hier befürchten KritikerInnen eine Untergrabung europäischer Standards. Zwar werden derartige Bedenken regelmäßig von den Verhandlungsführenden der EU-Kommission zurückgewiesen, können aber kaum entkräftet werden, ohne umfassenden Einblick in die Vertragstexte zu gewähren.
Intransparent und undemokratisch
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die Intransparenz der Verhandlungen – denn diese finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Da Handelsabkommen von der EU-Kommission mit Mandat des Rates ausgehandelt und erst zum Schluss dem EU-Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden, besteht nur eine minimale demokratische Kontrolle. Gerade durch die weitreichenden Folgen, die TTIP durch die Schaffung gemeinsamer Regulierungsstandards haben wird, müssten die Betroffenen, also die Bürgerinnen und Bürger, viel stärker einbezogen werden. Die in regelmäßigen Abständen abgehaltenen Treffen mit NGOs und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen stehen in keinem Verhältnis zu den Einflussmöglichkeiten der industriellen Lobbyvertreter. Es ist also wahrscheinlich, dass sich profitorientierte Interessen zu Ungunsten des Gemeinwohles durchsetzen. Besonders gravierende Folgen hätten jedoch die im Abkommen vorgesehenen Regelungen zum Investitionsschutz, mit denen sich die Staaten quasi selbst ins Bein schießen würden. Mit Hilfe des „Mechanismus zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten“ (Investor- State Dispute Settlement, ISDS) könnten Staatsregierungen von Unternehmen verklagt werden, falls diese aufgrund neuer Regelungen in zukünftige Gewinneinbußen erwarteten. Ein Beispiel: Staat A verschärft seine Umweltschutzgesetzgebung. Unternehmen B argumentiert, dass diese Maßnahme seine Gewinne schmälert und verklagt die Regierung von Staat A daraufhin vor einem supranationalen Schiedsgericht. Da es keine Regeln zu möglichen Interessenskonflikten gibt, könnte ein Jurist als Richter über den Fall, der die Woche davor noch das Unternehmen B als Anwalt vertreten hat. Die Schadenssumme ist nach oben unbegrenzt. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden damit untergraben. Ursprünglich wurden die ISDS Regelungen entwickelt, um Unternehmen vor Enteignungen in Staaten mit korrupten Gerichten zu schützen. Davon kann weder im Falle der USA noch der EU die Rede sein.
Gewinner und Verlierer
Vordergründig profitieren die BürgerInnen der an TTIP beteiligten Staaten in doppelter Hinsicht: erstens werden Importprodukte günstiger, zweitens steigt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und damit die zentrale Messgröße für Wohlstand. Problematisch wird es auf den zweiten Blick. So sagt das BIP alleine noch nichts darüber aus, wie der Zuwachs an Wohlstand verteilt wird oder ob tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zudem könnten die oben thematisierten Nachteile des TTIP diese Vorteile locker überwiegen. Weitere Verlierer werden am Abkommen unbeteiligte Staaten sein. Durch den zunehmenden Handel zwischen EU und USA werden weniger Produkte aus Asien, Afrika, Südamerika oder europäischen Ländern benötigt, die nicht zur EU gehören. Verlieren wird auch die Umwelt. Denn mehr Handel, mehr Produktion, mehr Transport bedeuten auch mehr Belastungen für die Umwelt. Die großen Gewinner sind vor Allem internationale Großkonzerne.