Verantwortlich für die Teilzeitbeschäftigung von Frauen sind die ungerechte Verteilung der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit aber auch belastende Arbeitsbedingungen. Von Carina Altreiter. Zur PDF-Version.
Vertreter:innen der Wirtschaft beklagen angesichts einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften, dass zu viele Menschen keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, obwohl sie das, so die implizite Annahme, könnten. Es wurden unterschiedliche Vorschläge in die Diskussion eingebracht, wie man Teilzeitbeschäftigung unattraktiver und Vollzeit lohnender machen könnte (etwa eine steuerliche Begünstigung von Vollzeitarbeit als Forderung von WKÖ und ÖVP oder eine Aliquotierung von Sozial- und Familienleistungen). Diese angedachten Änderungen betreffen vor allem Frauen, denn unter den weiblichen Beschäftigten stellt Teilzeitarbeit mittlerweile die dominante Beschäftigungsform dar (50,7 Prozent), während sie Männern eine untergeordnete Rolle spielt (13,4 Prozent). Dieser Beitrag wirft einen differenzierten Blick auf Teilzeitgründe bei Frauen und zeigt, dass strukturelle Benachteiligungen und Mehrfachbelastungen die Ursache dafür sind.
Keine Vollzeit gewünscht: ein differenzierter Blick
Sowohl in politischen als auch wissenschaftlichen Debatten zu den Gründen für Teilzeitbeschäftigung wird vor allem auf die Mikrozensuserhebung der Statistik Austria Bezug genommen. Bei Frauen ist mit knapp 40% die Betreuung von Kindern und Erwachsenen der häufigste von den Befragten genannte Grund für Teilzeitbeschäftigung. An zweiter Stelle kommen mit 25% jene, die angeben keine Vollzeit zu wünschen. Dies ist jene Gruppe, die zuletzt politischen Angriffen ausgesetzt war. Ein Blick auf die Erhebungsmethoden zeigt jedoch, dass diese Datenquelle mit zwei erheblichen Limitierungen behaftet ist.
Zunächst sind in den jeweiligen Indikatoren oft recht unterschiedliche Gründe zusammengefasst. Die Kategorie „keine Vollzeittätigkeit gewünscht“ umfasst sowohl den „Wunsch nach mehr Freizeit oder Zeit für eigene Interessen“ als auch Altersteilzeit und Teilzeitarbeit in der Pension. Entsprechend steigt auch der Anteil der Personen, die angeben, keine Vollzeit zu wünschen, ab 45 Jahren deutlich an, und ist ab 55 Jahren der häufigste Grund (Abbildung 1). Darüber hinaus können Befragte immer nur eine Ursache anführen. Eine Frau, die sich beispielsweise um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmert, gleichzeitig aber auch aufgrund von Belastungen in Altersteilzeit ist, muss sich bei der Befragung für einen Grund entscheiden. Sie ist also entweder eine Teilzeitbeschäftigte mit Betreuungsverpflichtungen oder eine Teilzeitbeschäftigte, die keine Vollzeit wünscht. Bei der Interpretation der Daten des Mikrozensus ist also Vorsicht geboten. Für ein umfassenderes Verständnis dieser Datenlage und des Phänomens Teilzeitarbeit bei Frauen ist es notwendig diese in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der in den aktuellen Debatten häufig ausgeblendet wird.
Belastende Arbeitsbedingungen, Zeitdruck und Stress als Faktor für Teilzeitbeschäftigung
Synthetisiert man die Erkenntnisse unterschiedlicher Studien zur Situation von Frauen am Arbeitsmarkt, dann wird deutlich, dass gesundheitliche Faktoren, Zeitdruck und Stress nach Betreuungsverpflichtungen das stärkste Motiv für Teilzeitbeschäftigung bei Frauen sind (z.B. Sorger et al. 2020; Sprecht-Prebanda 2018). Dazu gehören einerseits Personen mit einer bestehenden Erkrankung oder Behinderung, die im Mikrozensus nicht gesondert ausgewiesen werden, sondern in der Kategorie „Sonstige Gründe“ enthalten sind. Laut Eurostat betrifft das rund drei Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen. Hinzu kommt eine im Mikrozensus nicht abgebildete Gruppe, die aufgrund von belastenden Arbeitsbedingungen (aber auch Mehrfachbelastungen durch Erwerbs- und Sorgearbeit) präventiv die Arbeitszeit reduziert, um langfristig gesund zu bleiben. Eine Fokusgruppenteilnehmerin einer rezenten Studie beschreibt ihre Situation wie folgt
„Ich habe es ausgetestet, ob 40, 30 oder 25 Stunden, und meine Mitte wäre jetzt so 30 Stunden. Selbst wenn meine Kinder jetzt groß sind: Ich habe gelernt, dass ich mit weniger Geld auskomme. Das ist ein Stundenausmaß, bei dem ich nicht krank werde, bei dem ich gesund bleibe.“
(Sprecht-Prebanda 2018, 14)
Studien zeigen, dass vor allem in den sehr belastenden Gesundheits- und Sozialberufen viele Frauen prophylaktisch in Teilzeit gehen (zu den Belastungen siehe Abbildung 2). Wenig überraschend halten es knapp drei Viertel der über 45-jährigen Beschäftigten in der Altenpflege und in der Betreuung von Menschen mit Behinderung für unwahrscheinlich, bis zum Pensionsantritt durchhalten zu können (Schönherr et al. 2020). Auch der Betriebsrat am Kepler Universitätsklinikum in Linz teilt diese Einschätzung in einem Interview mit dem Bildungskurier im November 2023:
„Neben den vielen Alltagsaufgaben … sagen viele, dass sie den Gesundheitsberuf in Vollzeit einfach nicht (mehr) aushalten (würden). Gerade im Hinblick auf die letzten Jahre bis zur Pensionierung können sich viele Vollzeit, sprich 40 Wochenstunden plus teilweise geplante Überstunden, nicht (mehr) vorstellen.“
Ein Teil der Frauen nützt die Möglichkeit der Altersteilzeit in den Jahren vor dem Pensionsantritt, um trotz gesundheitlicher Einschränkungen am Arbeitsmarkt teilzunehmen (Mayrhuber et al. 2021).
Für Frauen ist zu Hause dann nur Schichtwechsel
Hinzu kommt, dass Frauen nicht nur in die Erwerbsarbeit integriert sind, sondern auch zwei Drittel der unbezahlten Haus-, Sorge- und Betreuungsarbeit in Österreich erledigen. Dieser Gender-Care-Gap bleibt selbst dann bestehen, wenn Frauen deutlich mehr als Männer verdienen oder in größerem Umfang erwerbstätig sind. Haben beide ein ähnliches wöchentliches Erwerbsausmaß, erledigen Frauen trotzdem 64% der Hausarbeit und Männer nur 36%. Auch wenn Frauen über 70% des Haushaltseinkommens erwirtschaften, erledigen sie 57% der Hausarbeit (Statistik Austria 2023, Abbildung 3).
Frauen sind also streng genommen nicht in Teilzeit. Ihr Arbeitstag dauert, zählt man die bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, immer länger als jener von Männern. So ist es wenig überraschend, dass Frauen von gesundheitlichen Einschränkungen und Belastungen stärker betroffen sind als Männer. Zwar leben Frauen länger als Männer, sie verbringen aber weniger Jahre in guter Gesundheit (siehe z.B. den Frauengesundheitsbericht 2022).
Externalisierung von Kosten auf den Schultern von Frauen
Bei Teilzeit haben wir es mit einer doppelten Externalisierung von Kosten zu tun. Im Fall präventiver Teilzeit wälzen Unternehmen die Kosten schlechter Arbeitsbedingungen an Frauen ab. Darüber hinaus externalisiert die Gesellschaft die Kosten der ungleichen Verteilung und Bewertung von Haushalts- und Sorgearbeit. Für Frauen bedeutet das nicht nur geringere Einkommen, erhöhte Armutsgefährdung und finanzielle Abhängigkeiten, sondern auch eine Unsichtbarmachung von Belastungen, die durch die Doppel- und Dreifach-Zuständigkeiten entstehen. Arbeitgeber:innen und Politik müssen die betrieblichen und gesellschaftlichen Bedingungen verbessern, damit Frauen in allen Lebensphasen ein gutes Leben führen können. Schritte auf dem Weg dorthin sind unter anderem:
- Die Einführung einer kurzen gesunden Vollzeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
- Die gesellschaftliche und finanzielle Aufwertung von Care-Berufen (z.B. Gesundheits- und Sozialberufe), die ihrer Bedeutung für das Funktionieren der Gesellschaft gerecht wird.
- Ausbau der öffentlichen Grundversorgung (z.B. Kinderbildung, Pflege) und faire Verteilung der Sorge- und Hausarbeit.
Zum Weiterlesen:
- Altreiter, C. (2024): Zur Skandalisierung scheinbar freiwilliger Teilzeitarbeit – eine Analyse in drei Teilen. A&W Blog.
- Schönherr, D./ Zandonella, M. (2020): Arbeitsbedingungen und Berufsprestige von Beschäftigten in Systemrelevanten Berufen in Österreich. SORA Bericht. Wien.
- Specht-Prebanda, M. (2018): Motivlagen für Teilzeitbeschäftigung. ISW Forschungsbericht. Linz.
- Sorger, C./ Bergmann, N./ Danzer, L. (2020): Teilzeitbeschäftigung in Niederösterreich: „Teilzeit – ist das wirklich mein Wunsch?“… L&R, Wien.
- Mayrhuber, C./ Lutz, H./ Mairhuber, I. (2021): Erwerbsaustritt, Pensionsantritt und Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters ab 2024: Potentielle Auswirkungen auf Frauen, Branchen und Betriebe. WIFO/FORBA. Wien.