Die Bedeutung von Kapital im Vergleich zum jährlich erwirtschafteten Einkommen steigt seit Mitte des 20. Jahrhunderts an.
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wird die zunehmende Ungleichheit von Vermögen und Einkommen so intensiv diskutiert wie schon lange nicht mehr. Der Bestseller „Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty sorgt seit der Veröffentlichung für Aufregung und Erstaunen.
Piketty erzählt in seinem Buch die Geschichte von Vermögen und Reichtum. Es ist jedoch nicht nur eine Geschichte: Anhand akribisch gesammelter und penibel analysierter Daten zeigt er, dass das Ausmaß der Ungleichheit bei Vermögen besorgniserregend ist. Unter Kapital versteht Piketty die Summe aller Vermögenswerte, die jemand sein Eigen nennt. EigentümerInnen können Staaten, private Haushalte oder Unternehmen sein. Doch die Bedeutung von privatem Kapital ist aufgrund der Privatisierungswellen der letzten Jahrzehnte drastisch gestiegen. Eine zentrale Eigenschaft von Kapital ist, dass es sich dabei nicht nur um eine Bestandsgröße und persönlichen Besitz handelt. Kapital lukriert bei seinen BesitzerInnen leistungslose Einkommen wie Dividenden oder Zinsen.
Die Grafik zeigt die Entwicklung des Kapital-Einkommens-Verhältnis in den USA und Europa. Damit bezeichnet Piketty das Größenverhältnis zwischen dem Vermögensbestand und dem jährlich erwirtschafteten Nationaleinkommen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts sank der Kapitalbestand in Europa drastisch. Dies erklärt sich durch die massive Zerstörung von physischem Kapital während der Weltkriege, fehlender Investitionen und der relativ hohen Besteuerung der Kapitalbestände und Spitzeneinkommen. Piketty zeigt, dass sich dieser Trend in der Mitte des Jahrhunderts umkehrte und die Bedeutung von Kapital im Verhältnis zum Nationaleinkommen seither wieder ansteigt. Wohlfahrtsstaatliche Arrangements und der technische Fortschritt förderten den Vermögensaufbau.
Auch die Zusammensetzung des Kapitalbestandes veränderte sich im Zeitverlauf. So ist der Anteil von Grund und Boden gesunken, jener des Industrie- und Finanzkapitals hingegen gestiegen. Der hohe Kapitalbestand wird von Piketty nicht per se negativ bewertet, denn er ermöglicht die Produktion von Wohlstand und ist ein Maß für die Entwicklungsstufe einer Gesellschaft. Problematisch ist aber die ungleiche Verteilung auf wenige politisch und wirtschaftlich bedeutende VermögensbesitzerInnen. Piketty betont, dass Vermögensbesitz ein Mittel der gesellschaftlichen und politischen Machtausübung darstellt.
Die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger, ist also auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive bedenklich.