Vor 60 Jahren, am 16. Juni 1953 ratifizierte Österreich eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, die besagt, dass Männer und Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit gleich zu entlohnen sind. Diese Forderung wurde noch immer nicht verwirklicht. Ende September/Anfang Oktober markiert der „Equal Pay Day“ den Tag, ab den Frauen (statistisch gesehen) gratis arbeiten.
Was ist der Einkommensunterschied?
In Österreich gilt der Grundsatz der Entgeltgleichheit, der jede Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechtes untersagt. Sämtliche Entgeltbestandteile wie das Grundentgelt, Zulagen, Sonderzahlungen, Prämien und Sachleistungen wie Dienstwagennutzung für die Freizeit, dürfen keine benachteiligende Wirkung auf Frauen oder Männer entfalten. Klar diskriminierend waren getrennte Lohn- und Gehaltslisten für Frauen und Männer, die selbst bei völlig gleicher Arbeit unterschiedliche Löhne auswiesen. Mitte der 1950er-Jahre wurden diese verboten – allerdings dauerte es noch bis in die 1970er Jahre, bis diese völlig aus den Kollektivverträgen verschwanden. Im Zentrum der Diskussion um Entgeltsdiskriminierung steht allerdings die mittelbare Diskriminierung, sprich ob geschlechtsneutrale Bestimmungen und deren Auswirkungen Frauen oder Männer als Gruppe benachteiligen (siehe Infobox).
Die Soziologin Edeltraud Ranftl trennt bei der Diskussion um Einkommensdiskriminierung klar zwischen der gleichstellungspolitischen Frage, dass Frauen aufgrund des Zugangs zu unterschiedlichen Jobs und Positionen unterschiedlich entlohnt werden, der sog. Beschäftigungsdiskriminierung und der Entgeltdiskriminierung. So werden Frauen oftmals bei leistungsbezogenen Entgeltbestandteilen benachteiligt, wie ein Beispiel eines Einrichtungshauses zeigt: Frauen sind meist in der Textil- oder Haushaltsabteilung, während Männer oft in den Möbelabteilungen tätig sind. Die Differenz zeigt sich bei der Prämienauszahlung: denn für Kleinteile gibt es auch die kleineren Prämien.
Zahlen, Daten, Fakten
Die Daten zur Einkommensverteilung von Männern und Frauen zeigen über die Jahre laut Statistik Austria kaum Veränderungen. Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern (gemessen an Bruttojahreseinkommen = inklusive Lohnsteuer und Sozialabgaben) aller unselbständig Erwerbstätigen lag sowohl 2001 als auch 2011 bei rund 40 Prozent. Dazu kommt die Schieflage in der privaten Sorgearbeit, wo Frauen laut Zeitverwendungsstudie 2008/09 der Statistik Austria nach wie vor 2/3 der unbezahlten Arbeit (Kinder, Haushalt, Pflege) leisten und deswegen oft Teilzeit arbeiten (müssen). Selbst bei einem Vergleich von ganzjährig Vollzeitbeschäftigen (ohne Teilzeitbeschäftigte, unterjährig Beschäftigte und Überstunden) liegen die Bruttojahreseinkommen von Frauen immer noch um 18,5% unter jenen der Männer.
Im EU-Vergleich zählt Österreich zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen Lohn- und Gehaltsunterschieden (Eurostat). Der EU-Durchschnitt liegt bei 16,2 % (durchschnittlicher Bruttostundenverdienst von Voll- und Teilzeitbeschäftigten in der Privatwirtschaft) – Österreich liegt hier bei 23,7 %. Wichtig für die Beurteilung des Einkommensunterschiedes ist es, dass es für Teile der Einkommensbenachteiligung mehrere Ursachen gibt: wie die Tätigkeit in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, Unterschiede im Ausb
ildungsniveau, Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen oder das Alter. Dass diese beobachtbaren Merkmale all
erdings ebenso eine Benachteiligung darstellen und damit zwar erklärbar aber politisch nicht rechtfertigbar sind, ist entscheidend. Dennoch bleiben 18,1% an Einkommensunterschied, der auf keine einzelnen Merkmale zurückgeführt werden kann. Das ist trotz jahrzehntelanger Thematisierung bittere Realität.
Zurück in die Zukunft
Die Diskussion um Einkommensunterschiede betrifft zwar auch die einzelnen Betriebe und Unternehmen, zielt aber vor allem auf den gesellschaftspolitischen, strukturellen Rahmen ab. Aktionismus rund um den „Equal Pay Day“ ist dabei wichtig, um die Diskussionen um den Arbeitsbegriff und die Verteilung von Arbeit als auch die Bewertung von Arbeit in die öffentliche Diskussion zu tragen. Als kleine Meilensteine auf dem Weg zu einer Einkommensgleichstellung zeigen Maßnahmen wie die Einkommensberichte von Betrieben in die richtige Richtung. Gleichzeitig bieten Modelle wie die „Vier in einem Perspektive“ von Frigga Haug spannende Ansätze und Perspektiven zur Ausgestaltung von Arbeit. Sie stellt vier Betätigungsfelder auf eine zeitlich gleiche Ebene (Erwerbsbereich, Reproduktionsbereich, kulturelle Selbstentwicklung, Politik) – was konkret und starr umgelegt auf einen Tagesablauf hieße: 4 Stunden Erwerbsarbeit/Brotjob, 4 Stunden Hausarbeit, 4 Stunden persönliche Entwicklung sowie 4 Stunden Auseinandersetzung mit der Gesellschaft/Politik. (Haug, 2011, 244). Wäre das ein mögliches Zukunftsszenario?