Wasserschlussverkauf durch die EU-Kommission? Mit der neuen Konzessionsrichtlinie der EU-Kommission droht die Liberalisierung des Gemeinguts Wasser

by Georg Hubmann

Am 24. Jänner wurde im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments über die Konzessionsrichtlinie abgestimmt, die Schlussabstimmung im Parlamentsplenum erfolgt voraussichtlich im März 2013. Ein Inkrafttreten der Richtlinie in ihrer aktuellen Fassung birgt Risiken: Grundbedürfnisse, wie die Wasserversorgung, würden über den Umweg der Konzessionierung dem privaten Markt geöffnet.

EU-Kommission will Reform der Öffentlichen Auftragsvergabe
Nachdem die Europäische Kommission im Jahr 2006 mit der Dienstleistungs-Richtlinie gescheitert ist, versucht sie über die Konzessionsrichtlinie erneut, öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge für Konzerne zu öffnen. Der konservative Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier hat die entsprechende Überarbeitung der bestehenden EU-Gesetzgebung initiiert. Bei der „Richtlinie über die Konzessionsvergabe“ sollen die Vergabeverfahren so geändert werden, dass öffentliche Dienstleistungen in Zukunft einer Konzessionierung unterliegen und europaweit ausgeschrieben werden müssen; bisher war nur die Vergabe von Baukonzessionen europaweit geregelt. Mit der im Ausschuss beschlossenen Ausweitung der Konzessionsvergabe ergeben sich folgende Hauptprobleme:

Daseinsvorsorge ist betroffen
Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist so unklar und weit gefasst, dass sie alle die eine Dienstleistung auf dem Markt anbieten, betreffen würde. Das betrifft dann auch zahlreiche Leistungen der Daseinsvorsorge, wie die Wasserver- und –entsorgung sowie alle anderen kommunalen Dienstleistungen. Explizit ausgenommen sind lediglich Konzessionen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, bei den öffentlichen Personenverkehrsdiensten oder Leistungen für Rundfunk- und Fernsehanstalten. Für soziale Dienstleistungen ist im Entwurf zwar ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen, langfristig wäre aber auch hier eine Ausschreibungspflicht zu befürchten.

Keine klare Abgrenzung
Eine genaue Definition der betroffenen Dienstleistungen fehlt. Wird die Richtlinie so umgesetzt, dann definiert die EU-Kommission, welche Bereiche betroffen sind. Diese „Nichtdefinition“ ermöglicht es der Kommission ohne Einbeziehung der Mitgliedsstaaten und der Kommunen festzulegen, welche Dienstleistungen betroffen sind. Hinzu kommt, dass der Grenzwert für die Ausschreibung mit 5 Mio. Euro über die gesamte Laufzeit zu niedrig angesetzt ist. Schließlich werden Verträge im Bereich der Daseinsvorsorge oft über 10 oder 20 Jahre abgeschlossen, so überschreiten auch kleinere Kommunen mit ihrer Ausschreibung diese Grenze.

Rechtsunsicherheit und Qualitätsabbau
Offiziell wird zwar die Schaffung von Rechtssicherheit für öffentliche Stellen bei der Vergabe als eines der Hauptargumente für die Konzessionsrichtlinie vorgebracht, in der Praxis ist jedoch das Gegenteil der Fall: Der komplizierte Richtlinienentwurf und die Auflagen für europaweite Ausschreibungen bringen mehr Unsicherheit, Verwaltungsaufwand damit auch und Beratungskosten für Länder und Gemeinden. Auch das Argument, die Wasserversorgung würde von Privaten effizienter gestaltet, hinkt. Viele Beispiele aus anderen Ländern (z.B.: Wasserversorgung in Paris) zeigen, dass Private oft zu wenig in die Infrastruktur investieren. Letztendlich muss dann der Staat korrigierend eingreifen, um wieder eine gute Versorgung mit hoher Qualität sicherzustellen.

Vergaben an öffentliche Unternehmen
Gerade jene Unternehmen, die mit der Durchführung von mehreren Bereichen der Daseinsvorsorge beauftragt sind, werden starke Konkurrenz bekommen. Denn eine Direktvergabe, z.B.: der Wasserversorgung an die Linz AG, wäre nur möglich, wenn die Linz AG 80% ihres Umsatzes mit der Wassersparte erwirtschaften würde. Bei einer Ausschreibung wären öffentliche Anbieter, die versuchen langfristig zu wirtschaften und hohe Qualität anzubieten, gegenüber den kurzfristig Preis– und Gewinnorientierten privaten Konzernen im Nachteil. Das heißt, die umfassende Daseinsvorsorge durch öffentliche Unternehmen wird deutlich erschwert.

Änderungsbedarf bei der Richtlinie
Klar ist, bei dem Entwurf zur Konzessionsrichtlinie gibt es großen Änderungsbedarf. Bis zur Beschlussfassung im Parlament wird noch verhandelt und auch die europaweite BürgerInneninitiative läuft noch.
Es braucht deutlich formulierte Ausnahmen: Vor allem die öffentliche Infrastruktur (Wasserversorgung), die soziale Absicherung (Sozialversicherung, Gesundheitswesen), kommunale Dienstleistungen (Abfallbeseitigung), Kultur und andere wichtige Bereiche für die Allgemeinheit (Services of General Interest) müssen vom Anwendungsbereich ausgenommen werden.
Klar muss auch sein, dass als zwingende Voraussetzung für eine Auftragsvergabe bei der Ausschreibung die Anwendung der jeweilig geltenden Kollektivverträge, sowie aller sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen gewährleistet sein muss. Systematische Verstöße gegen nationale arbeits-, sozial- und umweltrechtliche Vorschriften sollen zum Ausschluss von der Konzessionsvergabe führen. Dazu kommt, dass Konzessionsvergaben auch an soziale und ökologische Kriterien gebunden werden müssen. Kriterien, wie Frauenförderung, Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppen, Arbeitsbedingungen oder Umweltkosten, müssen berücksichtigt werden. Es gilt hier europaweites Sozial- und Lohndumping zu verhindern.

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