Kinderarmut – ein lösbares Problem

by Klaus Baumgartner

Ungleichheit ist in Österreich ein strukturelles Problem, Kinderarmut eine Folge davon. Von Julia Greiner. Zur PDF-Version.

Geldmangel ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabu. Selten sprechen wir über das was wir uns nicht leisten können. Noch seltener darüber, wie Armut die Lebensbedingungen von Kindern beeinflusst. Besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter, Großfamilien und Langzeitarbeitslose. Laut EU-SILC 2016 sind in Österreich 356.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

„Konkret bedeutet Armut: kaum Möglichkeiten, in zentralen gesellschaftlichen Bereichen – wie Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Sozialkontakte, kulturelles Leben, Bildung – zumindest in einem Mindestmaß teilhaben zu können. Arme Menschen haben weniger Chancen im Leben.“ Gerade für Kinder die in armutsgefährdeten Haushalten aufwachsen bedeutet das Ausgrenzung in zentralen Lebensbereichen. Deutlich sichtbar wird das etwa zu Schulbeginn, wenn Eltern viel Geld für Schulmaterialen aufwenden müssen oder wenn es darum geht, wer sich die Teilnahme an einer Klassenfahrt leisten kann. Im Schnitt geben Eltern rund 855€ pro Schuljahr und Kind aus. Der soziale Status der Eltern hat großen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder, denn nicht alle Eltern können diesen finanziellen Mehraufwand stemmen, egal ob es die Ausgaben für Sport – und Schiwochen, Sprachreisen oder Tablets und Laptops sind. Den Eindruck, dass die Aufwendungen der Eltern für den Schulbesuch der Kinder immer weiter steigen, teilen 86% der Eltern in einer repräsentativen SORA Umfrage für den Volkshilfe Sozialbarometer.

Armutsgefährdung und Bildungschancen
Die finanzielle Belastung durch den Schulbesuch ist eine Hürde für den weiteren Bildungsweg der Kinder. Je länger der Bildungsweg geht und je höher der angestrebte Ausbildungsgrad ist, umso höher sind die Kosten für die Familien. Dadurch sinken die Chancen von Kindern aus ärmeren Haushalten auf den Besuch einer höheren Schule. Das bestätigt die Einschätzung von 75% der Eltern. Die stimmen folgender Aussage zu – „Kinder aus armen Familien besuchen oft keine höheren Schulen, weil sich die Eltern weder Nachhilfe noch diverse Zusatzkosten für die Schule wie z.B. Nachmittagsbetreuung, Schreibwaren oder Sportwochen leisten können“. Die hohe finanzielle wie psychische Belastung der Familien führt unter anderem dazu, dass Kinder nicht an der Landschulwoche teilnehmen können. Mehr als die Hälfte der im Volkshilfe Sozialbarometer Befragten (54%) kennt mindestens ein Kind, das aus finanziellen Gründen nicht bei mehrtägigen Schulausflügen mitfahren kann. Außerdem sind die Schulausgaben bei weiterführenden Schulen höher und damit auch eine Belastung für das Familienkonto, so bleibt vielen Kindern aus sozial schlechter gestellten Haushalten ein weiterführender Bildungsweg strukturell verwehrt.

Bildung wird vererbt
Nicht nur fehlende Geldmittel führen dazu, dass Kindern Lebens- und Bildungschancen vorenthalten werden, dafür gibt es neben finanziellen auch andere soziodemographische Gründe. Das heißt, dass statistisch gesehen der Bildungsweg der Eltern, Wohnort, Geschlecht, etc. einen starken Einfluss auf die Bildung der Kinder hat. Bildung wird de facto vererbt. 69 Prozent der VolksschülerInnen, deren Eltern mindestens einen Maturaabschluss haben wechseln in eine AHS-Unterstufe. Hingegen besuchen nur 32 Prozent der SchülerInnen, deren Eltern maximal einen Lehrabschluss aufweisen, in die AHS-Unterstufe. Beim Übergang in die Sekundarstufe II (Oberstufe) verschärft sich dieser Effekt ein weiteres Mal: In der AHS Oberstufe sind nur ein Viertel der Kinder von Eltern mit Lehrabschluss, bei den anderen drei Viertel haben die Eltern zumindest auch selbst maturiert.

Bildungschancen sind Lebenschancen
Die Qualität der Ausbildung beeinflusst die Lebenschancen der Kinder. Wie wichtig eine hohe Bildung ist, zeigt das 4-Werte (Ökonomisch – Positional – Politisch – Persönlich) Programm auf. Um hier Chancengleichheit herzustellen, braucht es neben Reformen im Bildungssystem auch eine finanzielle Sicherheit für Kinder, damit nicht der Geldbeutel und die Herkunft der Eltern über die Lebenschancen entscheidet.

Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung ist ein Konzept zur Sicherung des Lebensunterhaltes, ausschließlich für Kinder und Jugendliche. Da die Armutsgefährdung für Kinder in Ein-Eltern-Haushalten bei 67% liegt, braucht es gerade hier Lösungen. Die dramatischen Folgen von Kinderarmut müssen gestoppt werden, um den Familien und den Nachkommen die gleichen Chancen zu ermöglichen. Eine Kindergrundsicherung hilft die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Kleidung, Schulmaterialen und medizinische Versorgung für alle Kinder und Jugendliche zu decken.

Leben in Armut
Ein Leben in Armut schränkt die Lebenschancen ein. 52.000 Kinder leben heute in Haushalten, die die Wohnung nicht angemessen warm halten können. Aufgrund der prekären finanziellen Lage der Eltern bleibt es 171.000 Kindern verwehrt, einmal im Monat Freunde zu sich nach Hause einzuladen; 234.000 Kinder müssen in überbelegten Wohnungen leben, 223.000 Kinder wohnen in feuchten und schimmligen Zimmern. Oft bedeutet das auch einen notwendigen Arztbesuch aus Kostengründen aufschieben zu müssen. All das hat in weiterer Folge negative Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg der Kinder – Armut nimmt Zukunft. Viele österreichische Heranwachsende haben aufgrund des sozialen Status der Eltern schlechtere Chancen.

Armut keine Chance geben
Um Kinderarmut keinen Platz zu geben, braucht es öffentliche Strukturen, die für einen Ausgleich sorgen und Unterstützung bieten. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der ganztägig-verschränkten Schule für alle Kinder, um gleiche Möglichkeiten zu bieten und Unterschiede in der Herkunft auszugleichen. Damit werden die Kinder und ihre Talente bestmöglich gefördert. Es braucht aber auch finanzielle Unterstützung bei den Schulkosten und Schulbedarfen, um Familien und Alleinerziehende zu entlasten. Eine Kindergrundsicherung wäre eine ganz wichtiger wichtiger Schritt in Österreich, um Kindern gleiche Chancen zu gewährleisten, da die Grundbedürfnisse gedeckt sind.

Zum Weiterlesen

Related Articles