Der Trugschluss der schwarzen Null

by Klaus Baumgartner

Ausgeglichene Haushalte und Schuldenbremsen gelten als Inbegriff verantwortungsvollen Politikstils. Doch was steckt tatsächlich hinter diesen Zielen? Von Alexander Barta. Zur PDF-Version.

In der Eurozone bekommt die Haushaltsdisziplin eine immer wichtigere Rolle. Die Mitgliedsstaaten werden dazu angehalten in ihren Verfassungen sogenannte Schuldenbremsen zu verankern. Diese Entwicklung hat eine Geschichte: Seit dem Inkrafttreten des Fiskalpaktes 2013 gelten strengere Regeln bei den Maastrichtkriterien: Einzelne Länder dürfen kein jährliches Haushaltsdefizit über 3 Prozent verbuchen und sollen ihre absolute Schuldenquote unter die Verschuldungsobergrenze von 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP) drücken. Außerdem gilt, dass das strukturelle Defizit (die jährliche Neuverschuldung abzüglich konjunkturellem Defizit), 0,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung nicht überschreitet. Betroffene Staaten müssen sonst ihre Haushalts- und Wirtschaftsprogramme der EU-Kommission und dem Europäischen Rat vorlegen und genehmigen lassen. Dahinter steht ein Dogma: Eine Politik der Haushaltskonsolidierung sei eine verantwortungsvolle Wirtschaftsund Finanzpolitik.

Die Logik der ausgeglichenen Haushalte und Schuldenbremsen
Das Ziel ist eine verlässliche und berechenbare Finanzpolitik, um das Vertrauen der Finanzmärkte zu erhalten. Argumentiert wird, dass wenn die wirtschaftliche Lage fragil erscheint, Vertrauen ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger, stabiler wirtschaftlicher Entwicklung sei. Gerade weil steigende Verschuldung aufgrund zunehmender Zinslasten die staatliche Handlungsfähigkeit einschränke, wird im Umkehrschluss angenommen, dass sinkende Verschuldung zu einem Wiederanstieg der staatlichen Gestaltungsmacht führen sollte.

Umsetzung der Sparprogramme
Die dominante Vorgehensweise bei der Sanierung der Staatsfinanzen verlief in den letzten Jahren vor allem über Kürzungen auf der Ausgabenseite. Diese Austeritätspolitik, d.h. Politik der Sparsamkeit, bedeutet so viel wie die Disziplinierung des Staates zugunsten des Marktes, die Verkleinerung des öffentlichen zugunsten des privaten Sektors, Abbau der Staatsverschuldung durch Senkung der Staatsausgaben und die öffentliche „Sparsamkeit“ zur Steigerung des privaten Wohlstands. Eine Studie des IWF zeigt jedoch, dass Sparmaßnahmen substantielle Wohlfahrtskosten zur Folge haben, da diese Arbeitsbedingungen als auch Arbeitslosigkeitsraten verschlechtern und damit auch die Konsumnachfrage negativ beeinflussen. Ausgabenkürzungen tangieren das Fundament des Sozialstaates und engen den Gestaltungsspielraum demokratischer Entscheidungen ein. Gerade der Verzicht auf staatliche Gestaltungsambitionen scheint also die Voraussetzung für das Erreichen von dauerhaft ausgeglichenen Haushalte zu sein– also genau das Gegenteil, was eigentlich erreicht werden soll: die Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit.

 Der Staatshaushalt ist kein privater Haushalt
Die Aussage, dass „wir alle“ über unsere Verhältnisse gelebt haben, steht für einen systematischen Denkfehler. Ein Staatshaushalt ist nicht mit einem Privathaushalt gleichzusetzen. Das Staatsbudget stellt lediglich die erwarteten Einnahmen des Staates mit dessen geplanten Ausgaben gegenüber und ist deswegen keine Bilanz im kaufmännischen Sinn. Staatsschulden sind viel mehr eine Art vorfinanziertes Wachstum – private Schulden machen den einzelnen Haushalt ärmer – öffentliche Schulden hingegen werden in Kauf genommen, um die Standortbedingungen für die Menschen und die Wirtschaft zu verbessern. Staatsschulden sind also keineswegs belastend für spätere Generationen, im Gegenteil: Sie finanzieren öffentliche Infrastruktur. Eine Regierung kann also durchaus mehr ausgeben als sie einnimmt, da durch die Ausgaben die Einnahmen erhöht werden können. Ein privater Haushalt kann das nicht. Ein Land kann also durch Schulden sogar reicher werden, es kommt lediglich darauf an, wofür die Schulden gemacht werden.

Sparen für die Generationengerechtigkeit?
Falsch ist auch, dass unsere Enkel und Kindeskinder unsere Schulden zurückzuzahlen hätten. Zum einen werden durch kreditfinanzierte Mehrausgaben des Staates auch Vermögenswerte geschaffen, die künftigen Generationen zur Verfügung stehen. Zum anderen findet keine Umverteilung zwischen den Generationen statt, sondern innerhalb einer Generation, und zwar tendenziell von unten nach oben. Gläubiger sind die BesitzerInnen von Staatsanleihen, sie kassieren Zinsen. Dazu gehören Banken, institutionelle Anleger und private Vermögende im In- und Ausland. Die Zinsaufwendungen, für die der Staat aufkommen muss, stammen aus dem Steueraufkommen, das in Österreich zu zwei Drittel von Lohnabhängigen finanziert wird. Damit ist klar, dass die SteuerzahlerInnen die Zins- und Tilgungszahlungen finanzieren, die die Gewinne aus den Staatsanleihen finanzieren.

Die Folgen fehlgeleiteten Sparens
Durch das Sparen entstehen Investitionslücken im öffentlichen Haushalt, die öffentliche Infrastruktur nutzt sich ab. In Deutschland lässt sich das am maroden Zustand von Autobahnbrücken oder von Schulen festmachen. Selbst BefürworterInnen eines schlanken Staates warnen vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit durch Vernachlässigung wirtschaftsnaher Infrastruktur. Die Doktrin des ausgeglichenen Haushalts verschiebt diese Lasten in die Zukunft und gefährdet den Wohlstand künftiger Generationen.

Schuldenbremse als Ablenkungsmanöver
Verschärfte Haushaltsdisziplin ist kein Rezept gegen die Hauptursache des Staatschuldenanstieges: die strukturelle Aufblähung des Finanzsektors und die damit einhergehende Bankenkrise. Während das weltweite Finanzvermögen zwischen 1980 und 2007 von 12 auf 197 Billionen Dollar gestiegen ist, wuchs im gleichen Zeitraum das Weltsozialprodukt von 10,1 auf 55,5 Billionen Dollar. Die Finanzwirtschaft hat die Realwirtschaft um ein Vielfaches überholt. Sinnvoller ist es die Mobilität des Kapitals einzuschränken, anstatt Sparen um des Sparenswillen. Anstatt auf die Schulden sollte der Fokus auf die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit gerichtet werden: immer mehr Vermögen konzentriert sich in den Händen weniger. Diese Schieflage führt zu sinkenden Lebensstandards in der Breite der Bevölkerung und damit zu geringerer Konsumnachfrage. Vermögende entziehen durch Spekulationen und Steueroasen ihr Geld der produktiveren Realwirtschaft.

Fazit
Die Schuldenbremsenpolitik ist ein rhetorischer Trick der auf einem Trugschluss basiert. Ausgeglichene Haushalte bringen nicht zwingend eine Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit. Im Gegenteil verringern sie oftmals die politischen Handlungsspielräume wie die Budgetkürzungen in Oberösterreich zeigen. Einer Volkswirtschaft, die zunehmend von ihrer Substanz lebt, wird es schwer fallen, künftigen Generationen eine vergleichbare hohe Lebensqualität zu bieten. Die Auswirkungen der Schuldenbremsenpolitik treffen vor allem die Schwächeren der Gesellschaft (Kürzungen & Vergebührung von Kinderbetreuung, Einschränkung bei sozialen Einrichtungen etc.). Im Sinne einer stabilen Wirtschaftsentwicklung gilt es Verteilungslogiken zu hinterfragen und das Gemeinwesen nicht den Wünschen der Finanzwelt auszuliefern, ist diese doch am krisenanfälligsten.

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