NEET-Jugendliche: In Österreich eine bisher nur wenig beachtete Risikogruppe

by Georg Hubmann

Die Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft Jugendliche besonders stark. Obwohl Österreich im internationalen Vergleich eine relativ niedrige Jugendarbeitslosenquote hat, zeigt der NEET-Indikator, dass bisher das Problemausmaß unterschätzt wurde. Das Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften erhob gemeinsam mit der Johannes Kepler Universität und dem Institut für Berufs- und Erwachsenbildungsforschung kürzlich erstmals ausführliche Daten zu NEET-Jugendlichen in Österreich und schlug konkrete Maßnahmen zur Reduktion der NEET-Rate vor.

Wieviele Jugendliche sind von NEET betroffen?

Laut der Definition in der Studie gelten Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren, die im Referenzeitraum weder in Beschäftigung (Labour-Force-Konzept), noch in (Aus-)Bildung oder Schulung sind, als NEET. In Österreich waren im Zeitraum von 2006 bis 2011 im Durchschnitt rund 78.000 junge Menschen (das sind 8,6% dieser Altersgruppe) von dieser Form der Desintegration betroffen, wobei die Anzahl an NEET-Jugendlichen stark konjunkturabhängig ist. So stieg die NEET-Rate in den Krisenjahren 2009 und 2010 auf rund 9% an und sank im Jahr 2011 auf 7,6%. Im Jahr 2012 kam es aufgrund der Konjunkturschwäche erneut zu einem Anstieg auf 8,3%.

Wie charakterisieren sich NEET-Jugendliche in Österreich?

Die NEET-Gruppe in Österreich besteht hauptsächlich aus jungen, arbeitslosen frühen SchulabgängerInnen (21% aller NEET-Jugendlichen), aus LehrabsolventInnen in ländlichen Regionen (20%), sowie aus Jugendlichen mit Erkrankungen/Beeinträchtigungen (9%). Hinzu kommen ältere Arbeitslose (überwiegend im Alter zwischen 20 und 24 Jahren) (18%) und SchulabsolventInnen in Warteposition (10%). Weitere NEET-Gruppen sind junge Mütter mit bzw. ohne Migrationshintergrund (zusammen rund 22%).

Hauptursachen für den NEET-Status

Entsprechend dieser Zusammensetzung sind individuelle NEET-Risikofaktoren vor allem geringe Bildung, gesundheitliche Einschränkungen, Migrationshintergrund, frühe Schwangerschaften, Arbeitslosigkeit aber auch schwierige familiäre Umstände oder ein Leben in einem abgelegenen Gebiet. Der stärkste individuelle Risikofaktor für eine NEET-Situation ist aber ein früher Schulabgang von Jugendlichen. Früher Schulabgang bedeutet, dass sich Personen nicht mehr im Bildungssystem befinden und entweder keinen Schulabschluss, nur den Abschluss einer Pflichtschule (HS, AHS-Unterstufe, PTS) oder einer maximal einjährigen Fachschule (BMS) absolviert haben. Ein weiterer Risikofaktor ist die sozioökonomische Situation der Eltern: Eltern von NEET-Jugendlichen verfügen auch häufiger über eine geringe Bildung und sind seltener in höheren oder leitenden beruflichen Positionen tätig. Einen ebenfalls starken Einfluss auf die NEET-Rate haben Ausgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik, und die Anzahl an offenen Stellen.

Maßnahmen zur Senkung der NEET-Rate

Aufgrund der unterschiedlichen Problem- und Bedürfnislagen von NEET-Jugendlichen braucht es individualisierte Ansätze: Maßnahmen, bei denen Beziehungsarbeit geleistet wird, die niederschwellig, flächendeckend und flexibel sind, versprechen den größten Erfolg. Um auch jene Jugendliche zu erreichen, die traditionelle Institutionen meiden, sind Konzepte der „aufsuchenden“ Jugend- und Sozialarbeit sinnvoll.

Herausforderung Kinderbetreuung

Für junge NEET-Mütter ist der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, insbesondere für unter-dreijährige Kinder wichtig. Diese erleichtern nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Betroffenen, sondern schaffen direkt und indirekt auch Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Ausbau der Kinderbetreuung würde sich bereits nach vier Jahren budgetär rechnen.

Herausforderung Beteiligung

Wie Europäische Studien (Eurofound 2012) zeigen, führen die Desintegrationserfahrungen von NEET-Jugendlichen zu einer geringeren politischen Partizipation: Die Gruppe der NEETs gehört zu den an Politik am wenigsten Interessierten. Gleichzeitig ist aber die Einbindung von den Jugendlichen selbst in lokale Entscheidungsfindungen ein wichtiger Erfolgsfaktor, damit Maßnahmen wirken und angenommen werden.

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