Wie den Euro retten? – Erfolgreiche Therapie durch korrekte Diagnose

by Georg Hubmann

Warum steckt der Euro in der Krise?

Ein Kernproblem der derzeitigen Krise sind die hohen Zinssätze, die insbesondere Griechenland, Irland und Portugal für ihre Auslandsschulden entrichten müssen. Die aktuelle Krise ist aber keine Währungs- oder Staatsschuldenkrise, wie meist behauptet wird, sondern eine Auslandsschuldenkrise. Denn Griechenland, Spanien, Portugal, Irland oder Italien sind als gesamtes Land, also Staat und Private zusammen, im (europäischen) Ausland hoch verschuldet. Das liegt daran, dass die griechische bzw. italienische Volkswirtschaft im internationalen Handel nicht so erfolgreich war und daher bei ihren HandelspartnerInnen Schulden aufbauen musste. Diese Gesamt-Schulden sind in Deutschland und anderen Ländern, die zu den HandelsgewinnerInnen gehören, Vermögensbestände. Hauptursache der hohen Ungleichgewichte – Handelsüberschüsse bei den einen und Handelsdefizite bei den anderen – ist, dass insbesondere Deutschland (wie auch das deutlich kleinere Österreich) ein großer Lohnsünder ist.

Internationaler Handel ist außer Rand und Band gerateneuro2

Deutschland und auch Österreich zahlen den ArbeitnehmerInnen im Vergleich zur Produktivität zu niedrige Löhne und werden dadurch im internationalen Handel immer billiger. Und da in einer Marktwirtschaft die internationale Wettbewerbsfähigkeit neben Qualitäts- und Innovationskriterien eine Frage des Preises ist, gewinnt Deutschland durch diesen Lohnunterbietungskurs Marktanteile. Das geht auf Kosten anderer Länder: Jene, die ihre ArbeitnehmerInnen der Produktivität entsprechend wie Frankreich) oder darüber (wie Griechenland) entlohnen, können preislich nicht mehr mithalten und verlieren am Markt. Denn ihre heimischen Produkte lassen sich nicht mehr absetzen. So entstehen Ungleichgewichte. Den Außenhandelsdefiziten (mehr Importe als Exporte) der einen stehen Überschüsse (mehr Exporte als Importe) der anderen gegenüber. Die einen müssen sich verschulden, um ihre Überschussimporte „bezahlen“ zu können, während die anderen dadurch Vermögen aufbauen. Wer Schulden hat, muss relativ hohe Zinsen für den Kredit bezahlen. Das wird durch FinanzmarktakteurInnen wie Rating-Agenturen noch verschärft (Stichwort: Abwertungen der Kreditwürdigkeit).

Deutsches Lohndumping ist Gefahr für Währungsunion

Durch die deutsche und auch österreichische Lohnzurückhaltung sind die „Lohnstückkosten“ (Löhne im Verhältnis zur Produktivität) gesunken und damit die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der beiden Volkswirtschaften stark gestiegen. Auf Kosten der Löhne sind die Exporterträge, also die Gewinne der deutschen Exportindustrie, exzessiv gestiegen. Das gefährdet aber die Währungsunion als Ganzes.

Früher wurden die Inflationsunterschiede zwischen den Ländern durch Änderungen im Wechselkurs kompensiert. Waren Produkte (etwa wegen im Vergleich zur Produktivität zu hoher Löhne) im internationalen Handel zu teuer und nicht mehr absetzfähig, machte man sie durch Währungsabwertungen billiger. Dem herrschenden internationalen Inflationschaos entsprach daher ein Wechselkurschaos, um Ungleichgewichte im Handel auszugleichen. Mit der Einführung EINER Währung 1999 haben sich die Euro-Länder auf ein Inflationsziel von 2 % geeinigt. Jedes Land sollte eine jährliche Preissteigerung von 2 % (und daher ein dementsprechendes Wachstum der Lohnstückkosten!) anstreben.

Explosiver Kessel wird angeheizt

Eine Währungsunion kann nur stabil sein, wenn es zu keinen Abweichungen vom vereinbarten Inflationsziel kommt – und zwar weder nach oben noch nach unten. Denn die Länder können keine Anpassung der Wechselkurse mehr vornehmen, um so die Handelsnachteile auszugleichen.

Wettbewerbsirrsinn

Deutschland hat ausländische Unternehmen im Wettbewerb nicht nur als KonkurrentInnen ausgeschaltet, sondern diese Unternehmen auch als ArbeitgeberInnen, als „SchafferInnen von Einkommen“, ausgeschaltet und so anderen Ländern quasi Arbeitsplätze weggenommen. Somit wurde aber nicht nur die Konkurrenz vernichtet, sondern wurden auch potentielle KundInnen deutscher Exportprodukte kaputtgemacht. Wem soll Deutschland oder Österreich denn seine Produkte verkaufen?

leichen. Deutschland hat aber massiv gegen dieses 2%-Inflationsziel verstoßen. Sein heutiges Preisniveau liegt mehr als 17%-Punkte unter der Zielvorgabe der europäischen Zentralbank (EZB). Südeuropäische Staaten hingegen liegen nur ca. 7%-Punkte über der Zielvorgabe. Die deutsche Lohnzurückhaltung fungiert also als Triebkraft eines perfiden Standortwettbewerbs. Denn statt Dampf aus dem Kessel (=europäischer Wettbewerb) rauszunehmen wird im Kampf um Marktanteile Feuer gemacht (=Preis- bzw. Lohnstückkostendumping). Das Ventil (=Wechselkursänderungen) aber wurde abgeschafft. Ohne Ventil muss der Kessel explodieren.

So kann eine Marktwirtschaft nicht betrieben werden

Es kann nicht sein, dass sich die in der Marktwirtschaft durch Arbeit geschaffenen Werte nicht in den Löhnen widerspiegeln! Arbeit ist das Einzige, das etwas zustande bringt. Kapital ist kein Wert an sich, sondern nur Öl im Getriebe. Die Forderung, dass die Wirtschaft für die Menschen dazu sein hat, ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch im Rahmen der Marktwirtschaftslogik wichtig. Die deutsche Politik der Lohnunterbietung schwächt zudem auch die Binnennachfrage (was wiederum als angebliche Notwendigkeit weiterer Export-Expansionen herhalten muss).

Was jetzt? Wie kann man den Euro aus der Krise führen?

Lohnkürzungen und sozialstaatliche Einschnitte in den Krisenstaaten lassen eine europaweite Rezession erwarten. Das Schuldenproblem wird dadurch nicht gelöst, sondern nur weiter verschärft. Wir brauchen auch in Österreich endlich eine ordentliche Lohnpolitik, die den Verteilungsspielraum zu Gunsten der ArbeitnehmerInnen nutzt. Das stärkt die schwache Binnenwirtschaft. Und Deutschland würde keine weiteren Riesen-Marktanteile auf Kosten anderer Länder mehr an sich reißen. Um das Problem an der Wurzel zu packen, muss die Lücke der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Staaten der Währungsunion geschlossen werden, indem die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten sich langfristig einander angleichen. Deutschland muss das 2%-Inflationsziel nicht nur einhalten, sondern 10 Jahre lang überschreiten (3%), damit sich Krisenländer, die eine geringere Inflationsrate (von 1%) anstreben sollten, anpassen können. Das erfordert eine EWU-weit koordinierte Lohnpolitik! Eine Inflation von 2 oder 3 Prozent ist für die Menschen kein Problem, solange der Anstieg der Löhne über der Inflationsrate liegt.

 

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